Kurzkritik Staatsoper

Puccinis „Trittico“: Tolle Sänger auf poesielos abstrahierter Bühne

Michael Poehn
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Der Saisonauftakt der Staatsoper hat das Publikum gespalten. Einige äußerten lautstark ihr Missfallen, andere jubelten demonstrativ zu Puccinis zusammengeführten Einaktern.

Ein musikalischer Erfolg war das auf jeden Fall: für ein gutes Ensemble mit einigen hervorragenden Sängerdarstellern, für Philippe Jordan am Pult. Ähnlich wie schon bei „Madama Butterfly“ am Beginn seiner Amtszeit legt Jordan bei allen subtilen Farbmischungen in Puccinis so unterschiedlichen Einaktern besonderen Wert auf penibel gezogene Konturen und starke Kontraste: Zupackendes Drama siegt auch dort, wo weniger auf Übersicht bedachte Dirigenten sich dem bloßen Schwelgen in Kantilenen hingeben möchten. Im „Tabarro“ verdichtet sich dieses Drama in Michael Volle.

Der gefeierte Wotan und Hans Sachs setzt seine an Bach bis Wagner geschulte Vortragskunst auch für Puccinis Michele ein – und beeindruckt mit nuancenreich-imposantem Bariton als alternder, verletzter, noch einmal flehentlich liebender Mann, der sich dann aber zum mörderischen Rächer am Liebhaber seiner Frau aufschwingt. Anja Kampe kann da mithalten als enttäuschte, ein neues Glück suchende Giorgetta.

„Suor Angelica“ wird dann ganz von der bewegenden Eleonora Buratto getragen und ihrem blühenden, verletzlichen Sopran, der sowohl über eine zarte Pianissimo-Höhe verfügt als auch über die nötigen dramatischen Reserven. Dazu Michaela Schuster, die als Fürstin keineswegs abgrundtief böse ist, sondern eine Entwicklung durchmacht: Ihr Herz wird erweicht, sie kommt zurück, bringt das gar nicht verstorbene Kind zur Mutter ins Kloster – die nun freilich im Sterben liegt. Hat Puccini da tatsächlich sentimentalen Religionskitsch komponiert zwischen dem Verismo-Reißer und der Erbschleicherkomödie? Diese Frage darf man bei Regisseurin Tatjana Gürbaca getrost verneinen.

Mit „Suor Angelica“ ist aber auch der Höhepunkt dieses Abends erreicht. Auf Henrik Ahrs poesielos abstrahierter Bühne entwickelt sich das Ganze von Straßenszenen im Nichts („Il tabarro“) zu angedeuteten Klostermauern und weiter zu einem undefinierbaren Innenraum für das Satyrspiel „Gianni Schicchi“. Buoso Donati segnet auf offener Bühne das Zeitliche, während er Zeitung liest und im Radio Mussolini reden hört. Die gierige Verwandtschaft ist grotesk kostümiert, denn es ist Karneval: eine Idee, die auf dem Papier lustiger war als in der Ausführung. Immerhin gibt Ambrogio Maestri das Schlitzohr Schicchi mit Saft und Kraft, Serena Sáenz und Bogdan Volkov kugeln als Lauretta und Rinuccio bei seiner Schlussansprache schmusend am Boden. Ein Textzitat in Neonschrift soll die drei Einakter verbinden, Giorgettas „Wie schwer es ist, glücklich zu sein“: mehr Behauptung als geglückte Idee. 

Für einen Teil des Publikums war das nicht genug für einen Inszenierungserfolg: Einige äußerten lautstark ihr Missfallen, andere jubelten demonstrativ. Puccini hält die Leidenschaften am Kochen. 

>> Eine ausführliche Premierenkritik folgt in Kürze.

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