Wort der Woche

El-Niño und seine Folgen

Das Wetterphänomen El Niño steuert derzeit einem Höhepunkt zu. Die Schäden sind immens. Und es wird befürchtet, dass sie mit dem Klimawandel noch weiter ansteigen. 

Ganz sicher sind sich die Fachleute der US-Ozean- und Wetterbehörde NOAA noch nicht – aber sie sehen deutliche Anzeichen, dass sich gerade ein äußerst heftiger El-Niño aufbaut. Bei diesem Wetterphänomen, das durchschnittlich alle vier Jahre auftritt und sich periodisch mit seinem Gegenteil – „La Niña“ – abwechselt, handelt es sich um eine natürliche Oszillation von Meeresströmungen bzw. -schichtungen im Pazifik, die im östlichen Pazifikraum zu einer Erwärmung und im westlichen zu einer Abkühlung führt. Damit einher gehen Veränderungen der Niederschlagsmuster, was mancherorts zu Dürren und Waldbränden und andernorts zu Starkregen und Überflutungen führt. Seinen Namen bekam „El Niño“ – zu deutsch: Christkind –, weil der Höhepunkt typischerweise vor Weihnachten auftritt.

In den vergangenen Monaten war es z. B. in Brasilien so trocken, dass Ernten katastrophal ausfallen und Wasserkraftwerke abgeschaltet werden mussten. Beim letzten großen El Niño 2015/16 kam es in Chile zu einem großen Lachssterben. Kalifornien erlebte Rekordniederschläge, Vietnam die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten. Die weltweiten wirtschaftlichen Schäden können mehrere Billionen Dollar ausmachen, wie kürzlich eine Gruppe um Christopher Callahan (Dartmouth College) berechnete (Science, 18. 5.); im Extremfall sind Millionen Todesopfer zu beklagen.

Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Denn in manchen Regionen haben die beiden Wetterphänomene durchaus auch positive Seiten. So bringt La Niña z. B. in Australien ordentlich Feuchtigkeit und wesentlich höhere Getreideernten.

Eine Gruppe chinesischer und australischer Forschender um Yi Liu (University of China, Qingdao) hat nun eine ökonomische Bilanz von Schaden und Nutzen versucht. Das Ergebnis: Während starke El-Niño-Ereignisse Kosten in Höhe von bis zu zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (BIP) pro Jahr verursachen, führt La Niña in den meisten Fällen zu einer Erhöhung der Wirtschaftsleitung – aber höchstens um einige Zehntel Prozent des globalen BIP (Nature Communications, 21. 9.).

Derzeit ist unbekannt, ob El Niño bzw. La Niña von der menschengemachten Klimaerwärmung beeinflusst werden. Sollte dies der Fall sein – und manche Forschende vermuten eine Verstärkung der Extreme – würden die Schäden exponentiell steigen. Dies, so Yi Liu und seine Kollegen, sollte man bei klimapolitischen Entscheidungen mitbedenken.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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