Marathon

In 36 Sekunden fällt die Zwei-Stunden-Schallmauer

Der schnellste Mann der Marathon-Welt: Kelvin Kiptum.
Der schnellste Mann der Marathon-Welt: Kelvin Kiptum.Imago / Patrick Gorski
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Der Kenianer Kelvin Kiptum lief in Chicago zu einem Fabelweltrekord über 42,195 Kilometer. Der erst 23-Jährige lief als erster Mensch einen Marathon unter 2:01-Stunden, triumphierte in 2:00:35-Stunden. Natürlich, die Szene rechnet nach und weiß: ein Rennen über diese Distanz ist unter zwei Stunden möglich. Weil der Schuh nicht drückt? Oder die Wissenschaft mit Ernährungsplänen einher läuft?

Kelvin Kiptum gewann den Chicago-Marathon in Weltrekord-Zeit. Der Kenianer siegte in 2:00:35-Stunden und lässt die Welt der Leichtathletik staunen. Als erster Mensch lief der 23-Jährige bei einem offiziellen Marathon unter 2:01-Stunden. Als Wiener weiß man, Eliud Kipchoge lief im Prater die gleiche Distanz in 1:59,40. Allerdings, mit 42 abwechselnden Tempomachern in seinem eigenen Rennen auf einer perfekten Bahn, mithilfe der Wissenschaft. Kiptum, der erst seinen dritten Marathon lief, zeigte der Welt damit auf: eine Zeit unter zwei Stunden ist auch im „echten“ Rennen möglich.

Mit Kiptums phänomenaler Vorstellung (Halbzeiten: 60:48 & 59:47 Min., Pace: 2:51-Min. pro km, Durchschnitt: 21 km/h) fielen binnen zweier Wochen beide Bestmarken. Vor 14 Tagen war die Äthiopierin Tigst Assefa in Berlin in 2:11,53-h erfolgreich gewesen. Warum Rekorde in Serie purzeln? Der Mensch wird schneller, Material, Ernährung und Vermessung der tunlichst flachen Strecken nebst des Engagements flotter Tempomacher helfen.

Kelvin Kiptum triumphiert.
Kelvin Kiptum triumphiert.Imago / Jamie Sabau

Schallmauer des Sports

Die Messung der Bestzeit begann 1908, der Amerikaner Johnny Hayes wurde bei den Sommerspielen in London in 2:55,18-Stunden per Hand gestoppt. Ob die Aufregung ebenso groß war wie jetzt? Vermutlich. Seitdem schmolz in 115 Jahren die Zeit dahin, wobei in den Top-10-Zeiten erst wirklich markante Sprünge zu beobachten sind. Paul Tergat (KEN) lief 2003 in Berlin 2:04,55-h. An gleicher Stelle gelang Haile Gebrselassie 2008 der „Lauf seines Lebens“, der Äthiopier kam nach 2:03,59-h ins Ziel. 2014 hatte es Dennis Kimetto (KEN) nach 2:02,57-h erreicht. 2022 war es Kipchoge, wieder in Berlin, in 2:01,09-h. 2023 war Kiptum um 34 Sekunden schneller.

Damit ist die „Schallmauer des Sports“ nahe. Seit 2014 fiel der Rekord um 2:22-Minuten. Der Leichtathletik fehlen nur noch 36 Sekunden, ehe eine ganz neue Zeitrechnung anhebt.

Wie das gelingt? Mit schnelleren Strecken, besserer Nahrung, einem „Wunder-Schuh“? Manch einer sieht des Rätsels Lösung nur im Material. Dank Kiptum ist Nike wieder voran, dank gestricktem Flyknit-Obermaterial und gekerbten Schnürsenkeln. Die Sohlen des „Dev 163“ Prototypen, den Kiptum trug, basieren auf „ZoomX-Schaum“, der bessere Dämpfung respektive Federung ermöglicht. Kohlefaserplatten verleihen gar Energierückgaben; die Industrie übt sich im Finden verkaufstechnischer Begriffe wieder im Wettrüsten. Tigst Assefa war übrigens für Adidas (Adizero Adios Pro Evo 1; ca. 500 €) unterwegs.

Imago / Jamie Sabau

Schuh oder Ernährung?

„Also die Streckenvermessung war es definitiv nicht, die diesen Weltrekord ermöglich hat“, sagt VCM-Organisator Wolfgang Konrad. „Das wäre auch unfair gewesen, oder?“ Österreichs Marathon-Experte hält einen „Mix aus Material und Bedingungen“ für ausschlaggebend. Die Schuhe allein wären es nicht, weil die bereits in ihrer „zweiten, dritten Generation“ wären und der Ausschlag größerer Zeitabstände bereits ein, zwei Jahre zurückliege. „Ich glaube, es ist schlicht und einfach die Performance. Training, Ernährung, Regeneration noch im Rennen – nur darum geht es“, sagt der Tiroler und nennt aus eigenen Erlebnissen mit Kipchoge im Prater samt dem Wissen aus dem Profi-Radsport (sein Sohn Patrick fährt für Lidl-Trek) ein bislang eher selten öffentlich gebrauchtes Schlagwort: „Energiebereitstellung!“

Hochleistungssport, insbesondere Verfolgungsjagden auf dem Rad oder per pedes, sind von der Wissenschaft bis ins kleinste Detail analysiert worden. Längst wisse man, „wer wann, unter welcher Belastung wie viel Kohlehydrate benötigt.“ Damit sei berechenbar geworden, wie viel wem wann zugeführt werden müsse, um maximale Leistung zu erreichen. Das sei der wahre „Game-Changer“ für alles weitere, glaubt Konrad felsenfest.

Wann fällt die Schallmauer? Wolfgang Konrad lacht. Es fehlen nur noch 36 Sekunden.

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