Grenze geschlossen

Abgeriegelt und bombardiert: Flucht aus dem Gaza-Streifen kaum möglich

Massive Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Bezirk al-Rimal in Gaza-Stadt.
Massive Zerstörung durch israelische Luftangriffe im Bezirk al-Rimal in Gaza-Stadt.APA / AFP / Mohammed Abed
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Eine Flucht aus dem dicht bewohnten Gebiet ist kaum möglich. Das musste auch der israelische Militärsprecher eingestehen. Aufgrund der israelischen Blockade befürchtet die UNO Wasserknappheit. Stromausfälle gibt es ohnehin oft. Die Abriegelung sei ein Verstoß gegen Völkerrecht.

Er trägt seinen Namen „Streifen“ nicht umsonst. Der Gaza-Streifen ist 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit. Das Gebiet ist geografisch umgeben von Mittelmeer, israelischem Gebiet und einer schmalen Grenze zu Ägypten. Eine Flucht vor Angriffen ist für die dort wohnenden Palästinenser kaum möglich. Derzeit auch nicht nach Ägypten.

Denn das israelische Militär revidierte die Empfehlung seines Chefsprechers, Palästinenser sollten über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten fliehen. Rafah sei entgegen den Äußerungen von Sprecher Richard Hecht geschlossen, stellte sein Büro klar. „Der Grenzübergang Rafah war gestern geöffnet, aber jetzt ist er geschlossen“, erklärte das Büro. Hecht hatte zuvor erklärt: „Mir ist bekannt, dass der Grenzübergang Rafah immer noch offen ist.“ Er fügte hinzu: „Jedem, der raus kann, würde ich raten, rauszugehen.“

Am Montagabend sagten ägyptische Sicherheitsquellen und ein Zeuge, dass die Operationen in Rafah durch einen Angriff auf Gaza-Seite gestört worden seien.

Dicht besiedeltes Gebiet - ohne Hilfslieferungen

Israels Armee griff bei ihren Gegenschlägen nach den Terrorattacken der Hamas in Israel weiterhin Ziele militanter Palästinenser im Gazastreifen an. Die Stellungen seien aus der Luft und von Schiffen aus attackiert worden, teilte die Armee am späten Montagabend mit. Zivilisten werden normalerweise vorgewarnt. Das Militär habe unter anderem Waffenlager, Tunnel und eine Hamas-Kommandozentrale in einer Moschee bombardiert. Außerdem sei ein Treffpunkt und Wohnhaus von Mitgliedern des Islamischen Jihads getroffen worden, hieß es weiter. Dabei seien zwei Terroristen getötet worden.

Die Hamas mit der Tötung gefangen genommener israelischer Zivilisten, sollte Israel ohne Vorwarnung die Häuser von Zivilisten im Gazastreifen bombardieren. Hamas-Sprecher Abu Obaida sagte am Montag, bisher seien die israelischen Gefangenen im Einklang mit den Vorschriften des Islam unversehrt gehalten worden.

Israels Militärsprecher Richard Hecht sagte am Dienstag, dass die Unterscheidung von Militär und Zivilisten bei den ins Visier genommenen Zielen nicht einfach sei. „In Gebäuden, in denen Menschen leben, könnte es ein Waffenlager geben … dort könnte ein Hamas-Boss wohnen“, sagte er.

Katholischer Pfarrer in Gaza: Bevölkerung in großer Angst

Der Pfarrer der kleinen katholischen Gemeinschaft in Gaza, Pater Gabriel Romanelli, hat im Interview mit dem vatikanischen „Fides“-Pressedienst laut Kathpress von der großen Angst der in Gaza eingeschlossenen Bevölkerung vor den Gegenschlägen durch die israelische Armee berichtet. „Niemand weiß, wo das alles enden wird, und leider gibt es keine Anzeichen dafür, dass es bald zu Ende sein wird“, zeigte er sich zutiefst bestürzt über die neueste Eskalation der Gewalt.

In der Bevölkerung des Gazastreifens, der von der Hamas beherrscht wird, sei die Angst und Ungewissheit, was die nächsten Tage und Wochen bringen werden, groß. „Früher haben schon viel weniger ernste Ausgangslagen als die jetzige zu sehr langen Kriegen geführt“, so der argentinische Priester. Man könne jetzt nur „beten und hoffen, dass der Krieg so bald wie möglich endet, damit die Wunden bald heilen, und sich dann für die Gerechtigkeit und den Frieden einsetzen, nach denen sich so viele Israelis und Palästinenser in ihren Herzen sehnen“.

Hilfe aus Ägypten - wenn der Grenzposten öffnet

Die Bevölkerung im Gazastreifen könnte allerdings Hilfslieferungen aus Ägypten erhalten. Lieferungen verschiedener NGOs stünden nahe dem Grenzübergang bereit - sobald der Grenzstreifen wieder offen ist. Auch Dutzende Krankenwagen standen bereit und warteten auf Anweisungen der ägyptischen Behörden, wie es weiter hieß. Aus Sicherheitskreisen erfuhr dpa, dass bisher keine palästinensischen Verwundeten angekommen seien, „wegen der Schwierigkeiten angesichts des israelischen Beschusses“. Der zuständige Gouverneur im Nord-Sinai bestätigte der dpa, die Krankenhäuser im Grenzgebiet seien in Alarmbereitschaft.

Unterdessen kündigte die Arabische Liga für Mittwoch ein Sondertreffen an. Die Außenminister der Mitgliedsstaaten wollten Wege besprechen, um „die israelische Aggression zu stoppen“, heißt es in einer Erklärung. Die Palästinenser hätten um das Treffen gebeten.

UNO kritisiert Abriegelung als Verstoß gegen Völkerrecht

Die Vereinten Nationen kritisieren Israels Beschluss, alle Lieferungen von Nahrungsmitteln, Wasser, Strom oder Benzin in den Gazastreifen einzustellen. Es sei unter dem humanitären Völkerrecht verboten, Menschen das vorzuenthalten, was sie zum Überleben brauchen, teilte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Dienstag in Genf mit.

„Belagerungen, die das Leben von Zivilisten gefährden, indem sie ihnen überlebenswichtige Güter vorenthalten, ist nach dem humanitären Völkerrecht verboten“, teilte Türk mit. „Bei einer Belagerung die Bewegungsfreiheit von Menschen und Gütern einzuschränken kann nur durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt werden, sonst kommt dies einer kollektiven Bestrafung gleich.“

Das humanitäre Büro der Vereinten Nationen teilte am Dienstag mit, dass fast 200.000 Menschen oder fast ein Zehntel der Bevölkerung seit Beginn der Feindseligkeiten aus ihren Häusern in Gaza geflohen seien und aufgrund der Blockade mit Wasser- und Stromknappheit zu rechnen sei.

Mehr als zwei Millionen Menschen

„Die Vertreibung hat im gesamten Gazastreifen dramatisch zugenommen und seit Samstag mehr als 187.500 Menschen betroffen. „Die meisten suchen Schutz in Schulen“, sagte Jens Laerke, OCHA-Sprecher, bei einem Briefing in Genf und sagte, dass mit weiteren Vertreibungen zu rechnen sei, da es weiterhin zu Zusammenstößen komme.

Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation sagte, sie habe seit dem Wochenende 13 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen gemeldet und sagte, dass die dort gelagerten medizinischen Vorräte bereits aufgebraucht seien. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei israelischen Luftangriffen auf die blockierte Enklave seit Samstag mindestens 687 Palästinenser getötet und 3726 verletzt und mehr als 3.00 verletzt.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UNO-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die Fläche ist etwas größer als die von Wien. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird. (APA/Reuters/Ag.)

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