Die Ich-Pleite

Fachkräfte gesucht

Carolina Frank
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In Österreich gibt es so viele offene Stellen wie noch nie, händeringend wird Personal gesucht. Aber ein paar Jahren übernimmt vielleicht ohnehin schon die KI alle Aufgaben.

Die Boomer-Generation geht gerade in Pension. Man könnte glauben, die nächste Generation steht schon in den Startlöchern, um den Stab zu übernehmen. Aber es stehen da nur ein paar wenige herum, und die wollen offenbar lieber Kinder aufziehen, die Welt anschauen oder mountainbiken. Derzeit gibt es in Österreich so viele offene Stellen wie noch nie. In jeder zweiten Auslage hängt ein Zettel, auf dem steht „Fachkräfte gesucht“. Große Betriebe werben in Plakatkampagnen händeringend um Mitarbeitende. Zukünftige Lehrer werden schon in die Schule geschickt, noch bevor sie ihre erste Proseminararbeit fehlerfrei schreiben können.

Wäre ich auf der Arbeitgeberseite, würde ich mir insgeheim denken: Das ist das Pech der späten Geburt. Früher konnte man von Jobeinsteigern noch Gratispraktika, Minieinstiegsgehälter und kostenlose Überstunden verlangen. Jetzt kommen sie nur, wenn man einen Betriebskindergarten hat und ihnen die Yogastunden nicht von der Arbeitszeit abrechnet. Bei den Gehaltsverhandlungen durfte man ihnen früher noch ohne Weiteres vorrechnen, wie dankbar sie für das bisschen sein müssen, das man ihnen auszahlt. Und jetzt muss man so weit die Hosen herunterlassen, dass man sich selbst nur mehr die Villa in Döbling, den Golfurlaub in Australien und ein paar Tage Heli-Skiing in Kanada leisten kann. Und besonders wählerisch darf man auch nicht mehr sein. Alter, Geschlecht, Intelligenz, alles egal, solang sie nicht vergessen, den Kunden die doppelte Fahrzeit zu verrechnen. Einziger Trost: In ein paar Jahren übernimmt vielleicht ohnehin schon die KI alle Aufgaben. Nur eines darf man ihr bitte nicht überlassen: die Gehaltsaufstellung. Jedenfalls nicht, bevor man ihr die Doppelmoral einprogrammiert hat.

(Die Presse Schaufenster, 6.10.2023)

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