Interview

Hans Peter Doskozil: „Wir machen die elementarsten Fehler“

Hans Peter Doskozil kritisiert auch die Gewerkschaftsspitzen in der laufenden Lohnrunde.
Hans Peter Doskozil kritisiert auch die Gewerkschaftsspitzen in der laufenden Lohnrunde. Akos Burg/Die Presse
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Die SPÖ solle nicht nur Förderungen verteilen, sondern den Menschen helfen, so bald wie möglich ohne Geld vom Staat auszukommen, sagt Burgenlands Landeschef. Die Gewinnabschöpfung des Bundes will er vor den VfGH bringen.

Wie schlecht geht es Österreich?

Hans Peter Doskozil: Wenn ich mir etwa die Gesundheitsversorgung im tagtäglichen Betrieb ansehe, dann haben wir dort sicher gewaltige Herausforderungen. Da reicht es nicht, wenn der Bund schlagwortartig sagt, er redet mit der ÖGK, ob nicht doch ein paar Ärzte mehr finanzierbar sind.

Wieviele fehlen denn in Burgenland?

Im Burgenland ist es anders. Wir finanzieren seit drei Jahren 50 bis 60 Studierende auf einer Privatuniversität unter der Prämisse, dass sie nach der Facharztausbildung fünf Jahre im Burgenland bleiben. Wir haben überdies die Ärztegehälter deutlich angehoben – jetzt bekommen wir die Ärzte auch. 

Ist also doch nicht alles so schlecht, wie es sich Sora-Chef Günther Ogris für eine mögliche SPÖ-Wahlkampagene ausgedacht hat? Sukkus seiner Überlegungen war ja: In Österreich werden die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer und nur die SPÖ ist die Erlösung. Teilen Sie diesen Befund? 

Immer nur zu sagen, dass alles schlechter wird, ohne es konkret greifbar zu machen, finde ich nicht gut. Das schadet auch der Glaubwürdigkeit. Aber es gibt Themen. Schauen Sie sich die Lohnentwicklung an. Wir sagen immer, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer, machen aber selbst dort die elementarsten Fehler. 

»Es wäre schon richtig
gewesen, wenn der Staat
lenkend eingegriffen hätte
in der Energiekrise.«

Hans Peter Doskozil

Landeshauptmann Burgenland

Und zwar? 

Ein Lohnabschluss, bei dem alle Gehälter linear gleich erhöht werden, ist in meinen Augen ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die wenig verdienen. Gutverdiener bekommen im Verhältnis zu Geringverdienern viel mehr, die Lohnschere geht immer weiter auf. Das ist ein falsches Signal der Lohnpolitik und es tut mir weh, dass Spitzengewerkschafter diese Lohnpolitik verteidigen. Wenn ich mir durchrechne, dass ein Spitzengewerkschafter, der im Nationalrat sitzt, alleine über seine Lohnerhöhungen – für heuer und das kommende Jahr zusammengenommen – rund 2500 brutto mehr im Monat bekommt, zeigt das schon alles. So eine Politik in Zeiten, in denen es für viele immer prekärer wird, ist keine Politik für Arbeiter und kleine Leute.

Dabei macht die SPÖ doch recht deutlich, bei wem sie sicher nicht anstreifen will: bei Wohlhabenden. Sie haben da weniger Berührungsängste. Vor ein paar Wochen haben Sie sogar gefordert, Red-Bull-Gründer Didi Mateschitz den höchsten Staatsorden zu verleihen. Wie ist das denn in der Partei angekommen?

Es ist immer leicht in der Politik, sich Feinbilder aufzubauen. Auch wir haben damit zu kämpfen, wenn uns die Opposition mit Halbwahrheiten konfrontiert. Aber wenn man sich ansieht, was dieser Mann mit seinem Konzern für die Region bewegt hat, wie viele Arbeitsplätze entstanden sind, gehört er sicher nicht zu der Kategorie an Wohlhabenden, wie zum Beispiel ein René Benko, die für Österreich gar nichts machen und nur Geld abkassieren. 

Und wie mehrheitsfähig ist die Position in Ihrer Partei? Immerhin steht die Vermögenssteuer ganz oben auf der Prioritätenliste. 

Dass es am Ende auch zu einer Vermögensverteilung kommen muss, wenn wir untere Einkommen stärken wollen, ist klar. Aber ich habe – generell, nicht aktuell gemeint – den Eindruck in der SPÖ, dass wir uns als Partei immer sehr wohlfühlen damit, wenn wir Essensförderungen, Schulstartgeld, Mindestsicherung und Wohnbeihilfe verteilen können. Wir haben uns daran gewöhnt, uns darüber zu definieren und glauben inzwischen, dass uns die Leute wählen, wenn sie nur sehen, was sie alles bekommen. In meinen Augen hätte die Sozialdemokratie vielmehr die Aufgabe, sich darum zu kümmern, dass diese Bevölkerungsgruppen so schnell wie möglich keine Förderungen mehr brauchen. Da landet man natürlich schnell bei Grundsatzfragen wie: Wollen wir eine Leistungsgesellschaft? Wie gehen wir mit Vermögen um? Wir im Burgenland verstehen sozialen Wohnbau anders als andere. Wir haben keine Berührungsängste mit Eigentum. Was ist schädlich daran, sich über Jahre Wohnungseigentum zu schaffen? Das Argument, dass alle eh nur Mieter sein wollen, glaube ich nicht. Die Weiterentwicklung der Partei, ihrer Themen und Ziele ging in den letzten Jahren nicht immer Hand in Hand mit dem, was die Menschen brauchen.

Gelingt diese Weiterentwicklung gerade? 

Ich will der Parteispitze gar nichts ausrichten. Das ist eine allgemeine Ansicht. Andreas Babler soll entscheiden, wie er die Wahl anlegt.

Jetzt mit der Causa Sora und der Wiener Kleingarten-Affäre hat es Andreas Babler nicht sonderlich leicht, einen großen Starteffekt zu generieren. Sind Sie aus heutiger Sicht froh, dass Sie nicht an seiner Stelle sind?

Das würde ich nicht sagen, sonst hätte ich mich nicht der Wahl gestellt. Unsere Lösungen für Themen wie Mindestlohn, Pflege, Gratiskindergarten zu skalieren, wäre schon interessant gewesen. Ich habe aber bei der Mitgliederbefragung auch gesehen, dass die Ablehnung meiner Person dort so stark war, dass ich mich schon gefragt habe, ob es Sinn macht, es weiter zu versuchen. Vermutlich wäre es nicht so einfach gewesen, diese Themen anders zu diskutieren. Von dem Blickwinkel heraus ist alles okay, so wie es ist. 

Weil ich gerade den Burgenland-Energie-Chef Stephan Sharma aus ihrem Büro kommen sah: Wie eng sind Sie in die operative Führung des Landesversorgers eingebunden?

Es geht nicht darum mitzureden. Die Entscheidungen müssen wirtschaftlich begründet sein, aber ich will in den Themen drinnen sein. Wir sind Eigentümervertreter, da gibt es klare Rollen. Und ich nehme die vielleicht intensiver wahr als andere. Aber Stephan Sharma ist ein Vollprofi. Nur im Sport hat er keine Ahnung. Er ist Austrianer. 

Und Sie bekanntlich Rapidler. Da müssen Sie gerade beide leiden. 

Es ist ein Drama. 

Das wäre wieder ein Fall für Mateschitz.

Das ist das beste Beispiel: Er hatte eine Idee, baute langfristig etwas auf, ließ die Menschen in Ruhe arbeiten. Frank Stronach war die Gegenthese dazu. Der hatte auch genug Geld, dieselben Voraussetzungen. Und was ist heute davon übrig? 

In einem Interview hat sich Stephan Sharma kürzlich sehr über die Gewinnabschöpfung des Bundes aufgeregt. Dabei war das doch eine alte Forderung der SPÖ. Was stimmt denn nun?

Es wäre schon richtig gewesen, wenn der Staat lenkend eingegriffen hätte in der Energiekrise. Man hätte die Treibstoffpreise senken und wohl auch an der Börse eingreifen können. Das hätte einen Effekt gehabt. Aber da hat der Mut gefehlt, oder man wollte sich ideologisch nicht nähern. Stattdessen kassiert der Bund Gewinne ein und gibt nichts zurück. Wir liefern 34 Millionen ab und bekommen nichts. Viel größere Unternehmen müssen weniger zahlen. Da stimmt doch etwas nicht. Und der private Sektor, der auch mit staatlichen Abnahmeverträgen versorgt wurde, ist gar nicht betroffen.

»Wir haben keine Berührungsängste mit Eigentum. Was ist schädlich daran, sich über Jahre Wohnungseigentum zu schaffen?«

Hans Peter Doskozil

Landeshauptmann Burgenland

Wen meinen Sie genau?

50 Prozent unserer Windräder sind im Privatbesitz. Die haben in den letzten Jahren in einer Dimension verdient, dass sie ihre Windräder mit zwei Jahren refinanzieren können. Dort schaut keiner hin. Wir haben versucht mit einer Abgabe gegenzusteuern. Aber die hat der Bund beeinsprucht und wir haben das Gesetz in der gewünschten Form nicht durchgebracht. Der private Gewinn wird geschützt. Dafür werden unsere Dividenden abgeschöpft, die wir verwendet hätten, um den Heizkostenzuschuss und andere Hilfen zu finanzieren. Die müssen wir trotzdem zahlen. Nur jetzt eben aus dem Budget. Wir werden uns daher genau ansehen, ob wir die Gewinnabschöpfung vor den VfGH bringen und dort verfassungsrechtlich hinterfragen lassen. 

Apropos Kosten für die Krisenbewältigung: Wie wirken sich denn die steigenden Zinsen finanziell auf das Burgenland aus?

Gar nicht.

Weil Sie kein Fremdkapital aufnehmen?

Doch. Aber wir haben nicht die Fehler gemacht, die andere gemacht haben. Warum zahlen wir heute Mietpreisdeckel an unsere privaten Genossenschaften? Die haben lange auf Kredit gebaut wie verrückt und die Projekte über die Mieten refinanziert. Aber sie haben es verabsäumt, rechtzeitig auf Fixzinskredite umzustellen. Vor zwei Jahren gab es ein Prozent auf zwanzig Jahre. Aber denen war das egal, weil die steigenden Zinsen eh der Mieter zahlen muss. Deshalb haben sie heute noch flexible Kredite, die Zinsen sind auf fünf Prozent geklettert und wir müssen einspringen, damit die Mieter über die Runden kommen.

Wie lange wird das Land hier einspringen? 

Bis Ende 2024, dann müssen wir weitersehen. Ich will nicht akzeptieren, dass wir für diese Managementfehler aufkommen. Das Land und auch unsere Holding haben alle Kredite, die wir umstellen konnten, zeitgerecht auf Fixzinskredite umgestellt. Die Frage ist: Wie bringe ich das Geld der Genossenschaften dahin, dass die Mieten nicht so stark steigen? 

Was ist Ihre Antwort?

Mir wird etwas einfallen, weil es mich ärgert. 

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Das Interview wurde im Rahmen des Austria‘s Leading Companies Award geführt.

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Zur Person

Hans Peter Doskozil (SPÖ), geboren 1970 in Vorau (Steiermark), ist seit Ende Februar 2019 Landeshauptmann des Burgenlands. Der studierte Jurist war zuvor Finanzlandesrat und in den Jahren 2016/2017 Bundesminister für Landesverteidigung und Sport.

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