Nachhaltigkeit

Immobilien: Wenn ein Projekt läuft, dann „grün“

Gelungenes Beispiel umfassender Optimierung von Bestand: Der Wiener Ringturm erfüllt als Nachkriegsgebäude mittlerweile EU-Klimastandards.
Gelungenes Beispiel umfassender Optimierung von Bestand: Der Wiener Ringturm erfüllt als Nachkriegsgebäude mittlerweile EU-Klimastandards.www.luftperspektive.at
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Den Start neuer Bauprojekte müssen sich Immobilienunternehmen derzeit finanziell dreimal überlegen. Wird bereits entwickelt, lassen die Klimaziele dabei kein Zögern zu. Warum Nachhaltigkeit keine Option, sondern die Vorgabe ist.

Kränkelndes wirtschaftliches Umfeld multipliziert mit den höchsten Zinsen seit mehr als zehn Jahren ergibt: Zurückhaltung. Diese Rechnung geht beim Einmaleins des Immobilienmarkts derzeit auf – im negativen Sinn. Vor allem mit Investments hält sich die Branche zurück, sowohl was den Start von Entwicklungsprojekten als auch den Erwerb von Bestandsobjekten anbelangt: Immobilieninvestments in Österreich liegen mit dem bis Ende September registrierten Transaktionsvolumen um fast 30 Prozent hinter dem Vergleichswert der Vorjahresperiode zurück. „Obwohl die Vermietungsdynamik in einigen Segmenten sehr gut war und ein Anstieg der Mietpreise festzustellen ist, kann dies die stark steigenden Renditeanforderungen der Investoren nur zum Teil kompensieren, was im Ergebnis zu einem sinkenden Preisniveau führt“, lautet eine aktuelle Analyse des Immobilienunternehmens EHL.

Investoren erwarten ESG

Besonders stark davon betroffen sind demnach ältere, nicht ESG-konforme Bestandsimmobilien in schwächeren Lagen, die den Anforderungen der Investoren hinsichtlich Nachhaltigkeit nicht entsprechen. Hier sind zum Teil signifikante Preisabschläge zu verzeichnen. Im Bereich neuwertiger, taxonomiekonformer Immobilien, die die Nachhaltigkeits- und Qualitätsanforderungen erfüllen, ist die Preisanpassung deutlich moderater. Diese Objekte sind daher aktuell stark im Fokus institutioneller Investoren. Generell befinden sich die Märkte derzeit in einer ambivalenten Situation, erklärt Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien: „Einerseits gibt es im Wohnbereich, aber auch bei Büros großen Bedarf an adäquaten Flächen, andererseits lohnt es sich für Entwickler und Investoren vielfach dennoch nicht, neue Projekte tatsächlich zu starten.“ Die Hauptgründe dafür: (zu) hohe Kosten für Grundstücke, Errichtung und Finanzierung.

Nachhaltigkeit ist keine Option

Ist ein Projekt bereits am Laufen, führt kein Weg an den Klimazielen vorbei: „Nachhaltigkeit ist heute keine Option mehr, sondern eine Vorgabe“, weiß Sebastian Nitsch, CEO des heimischen Immobilienentwicklers 6B47. Bestätigt wird dieser Eindruck von Michael Klement, CEO der United Benefits Holding: Sein Unternehmen entwickle bereits „seit etwa sechs Jahren“ ausnahmslos sogenannte dunkelgrüne Bauprojekte. In Zukunft werde es vor allem für institutionelle Investoren entscheidend sein, ob die Entwicklung von Immobilien der EU-Taxonomie entspricht – oder eben nicht. Ob ESG-Kriterien bei Immobilien eingehalten werden, wird künftig maßgeblich in deren Bewertung einfließen.

Natürlich kosten auch nachhaltige Projekte Geld. Und Geld kostet wieder etwas, nachdem der Leitzins der EZB in kurzer Zeit auf 4,5 Prozent geschnellt ist. Zusammen mit den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der Umsetzung der EU-Taxonomie resultieren, ist das für die Branche eine nur schwer zu verdauende Gemengelage. Die Suche nach Potenzialen zur Kostensenkung ist eine zentrale Herausforderung. Das zeigt sich am Interesse für die zahlreichen Start-ups, die mit weiterer Digitalisierung, Automatisierung, Standardisierung und teilweise dem Einsatz künstlicher Intelligenz die notwendigen Effizienzsteigerungen bringen sollen.

Optimiertes Nachkriegsbüro

Und wenn schon vorerst viele neue Projekte aufgeschoben werden, dann gilt es, Bestandsimmobilien ESG-gerecht zu optimieren. Dass auch Nachkriegsgebäude in klimagerechte Objekte transformiert werden können, zeigt der Wiener Ringturm. Das 73 Meter hohe und 1955 eröffnete Bürohochhaus am Donaukanal erfüllt seit Oktober mit der ÖGNI-Verifikation nachweislich die Anforderungen der 2021 in Kraft getretenen EU-Taxonomie-Verordnung. Den Ausschlag dafür gaben vor allem die zwei Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach – in Summe wird damit eine Leistung von rund 48.000 Kilowattstunden Sonnenstrom direkt am Haus selbst erzeugt. Ebenso sind dort Fernkälte sowie LED-Beleuchtung und ein umfangreiches Energiemonitoring im Einsatz.

Ein laufendes ESG-taugliches Neubauprojekt findet Mitte 2024 in der Seestadt Aspern seine Vollendung („Die Presse“ berichtete: Dachgleiche für Robin). Der einem Termitenhügel nachgeahmte Bürokomplex Robin kommt künftig gänzlich ohne Heizung und Kühlung aus. Denn 80 Zentimeter dicke Außenwände aus Ziegeln, dreifach verglaste Holzfenster sowie eine Sensortechnologie mit automatisch gesteuerten Lüftungsflügeln sorgen für eine Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius.

Hilfe bei der ESG-Transformation

Nachhaltigkeit für den Gebäudesektor erfordert aber auch Transparenz, dabei können Technologieanbieter helfen. „Die Nachfrage nach digitalen Lösungen für die ESG-Transformation ist ungebrochen groß“, sagt Thomas Veith, Partner und Global Real Estate Leader bei PwC. In der dritten Ausgabe der Tech for Impact Map veröffentliche PwC daher eine Auswahl der hundert besten Lösungsanbieter zur Risikobewertung, für die Dekarbonisierung, den Gebäuderessourcenpass und zirkuläre Gebäude, die serielle Sanierung und energetische Optimierung sowie die Nutzerzentrierung von Gebäuden.

Klimastandards

Die EU-Taxonomie bietet Investoren, Unternehmen und Projektträgern ein Klassifizierungssystem für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilien. Beim Neubau von Gebäuden, bei der umfassenden Renovierung von Bestand und beim Erwerb von Immobilien sind dabei qualitative Mindestanforderungen einzuhalten.

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