Interview

Palästinenser-Vertreter im ORF: „Sie wollen mich zu einer Verurteilung hinreißen“

Der Botschafter Palästinas in Wien, Salah Abdel Shafi, auf einem Archivbild.
Der Botschafter Palästinas in Wien, Salah Abdel Shafi, auf einem Archivbild.Clemens Fabry
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Der Vertreter der Palästinenser in Österreich, Salah Abdel Shafi, vermied es im ORF-Radio am Freitag, die Gräueltaten der Hamas zu verurteilen. Er warf dem Westen vielmehr „Doppelmoral“ vor: Während der ukrainische Widerstand bewundert werde, sei der palästinensische „Terror“. Österreichs Regierung fordert er auf, die „Stimme“ gegen die Zwangsumsiedelung im Gaza-Streifen zu „erheben“.

Salah Abdel Shafi, der Vertreter der Palästinenser in Österreich, äußerte sich am Freitag im ORF-Radio zu den kriegerischen Auseinandersetzungen in Israel. Auf die Gräueltaten der Hamas angesprochen, vermied er es, sich von diesen in klaren Worten zu distanzieren.

Dass der deutsche Kanzler, Olaf Scholz, zuletzt von einem „beschämenden Schweigen“ des palästinensischen Präsidenten, Mahmud Abbas, gesprochen hat, relativierte Shafi: Man lehne „die Praxis“, gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen, „auf beiden Seiten“ ab. Auf die Frage, ob er diese Wortwahl angesichts der bestialischen Terrorangriffe als angemessen empfinde, meinte er ja: „Ja, das ist sehr angemessen.“ Gemäß dem Völkerrecht „lehnen wir das ab“, sagte Shafi. „Das gilt für die Hamas, das gilt aber auch für Israel.“ Dabei verwies er vehement auf die „Besatzungsmacht Israel“, die den Gaza-Streifen seit 15 Jahren blockiere. „Israel begeht jeden Tag Kriegsverbrechen“.

„Doppelstandards“ und „Doppelmoral“

Auf erneute Nachfrage von Moderator Paul Schiefer, weshalb es keine klarere Distanzierung zu den Hamas-Gräueltaten gebe, replizierte Shafi ungehalten: „Das kann ich genauso fragen. Wieso gibt es keine Verurteilung von Israel?“. Es sei „nicht in Ordnung, dass die zivile Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird“, dabei aber verwies er mehrmals auch auf die „Brutalität Israels“, die „ohne Rücksicht auf Zivilisten“ seit 56 Jahren als „Besatzungsmacht“ agiere.

In weiterer Folge beschwerte sich der Palästinenser-Vertreter darüber, dass die Medien - konkret der ORF -, bislang kein Interesse an der palästinensischen Seite gehabt habe. „Sie interviewen mich jetzt das erste Mal seit zehn Jahren“, sagte er und gab sich sogleich die Antwort auf die Frage, weshalb: „Weil Sie mich hinreißen wollen zu einer Verurteilung der Palästinenser“. Den israelischen Botschafter habe man schließlich auch nicht gefragt, was dieser zu den Angriffen und der Gewalt Israels gegen die Zivilbevölkerung in Gaza sage.

„Österreich soll Stimme erheben“

Deshalb warf Shafi Österreich und dem Westen „Doppelstandards“ und „Doppelmoral“ vor: „Sie bewundern den Widerstand“ der Ukraine gegen Russland, sagte er zu Moderator. Der palästinensische Widerstand werde als „Terror“ verunglimpft. Dass der Westen nun überlege, Zahlungen an die Palästinenser zu kappen sei eine „kollektive Bestrafung“ und „politische Show“, die nur zeige, dass man „sehr mit Israel verbunden sei, aber auf Kosten der Bevölkerung in Gaza.“

In einer Aussendung am Freitag nannte Abdel-Shafi den Plan Israels, den Gaza-Streifen zu evakuieren und damit 1,1 Mio. Menschen umzusiedeln, als „ethnische Säuberung in einer der dichtest besiedelten Regionen der Welt“. Das Schweigen „der so genannten westlichen Welt zu dieser Unmenschlichkeit ist geradezu ohrenbetäubend.“ Er rufe die österreichische Bundesregierung dazu auf, „ihre Stimme dagegen zu erheben.“

(juwe)

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