Befragung

„Bankrott der Wiener Gesundheitspolitik“: Frustlevel der Ärzte auf dem Höhepunkt

Wiens Spitalsärzte sind mehrheitlich der Meinung, dass sich die Qualität der Gesundheitsversorgung verschlechtert hat.
Wiens Spitalsärzte sind mehrheitlich der Meinung, dass sich die Qualität der Gesundheitsversorgung verschlechtert hat.GettyImages/INA FASSBENDER
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Sowohl bei ihrer Ausbildung als auch bei der Versorgung der Patienten sehen Wiens Spitalsärzte einen weiteren Qualitätsverlust im Vergleich zum Vorjahr. Auch mit der Stadtpolitik sind sie zunehmend unzufrieden.

Was die Patienten in Wiens Kliniken jeden Tag selbst erleben und beklagen, wird einmal mehr mit Zahlen untermauert. Das Frustlevel unter den Ärzten ist auf dem vorläufigen Höhepunkt angelangt.

Die Qualität der Versorgung der Bevölkerung hat sich ihrer Meinung nach ebenso verringert wie die ihrer Ausbildung. Zudem fühlen sie sich von Wiens Gesundheitsstadtrat, Peter Hacker (SPÖ), im Stich gelassen. Gefährdungsanzeigen würden nicht ernst genommen, obwohl sich ihre Zahl deutlich erhöht habe. Das sind die Ergebnisse einer Online-Befragung von 1900 Wiener Spitals­ärzten von Ende August bis Mitte September, die am Freitag präsentiert wurden. Von den angeschriebenen Ärzten haben sich rund 21 Prozent an der von der Wiener Ärztekammer in Auftrag gegebenen und bezahlten Umfrage von Meinungsforscher Peter Hajek beteiligt. Dabei handelt es sich um eine Befragung, die mit denselben Fragen schon vor einem Jahr stattfand – mit dem Ziel herauszufinden, wie sich die Stimmung unter Ärzten entwickelt hat.

Die genauen Ergebnisse

Zu den konkreten Ergebnissen: 87 Prozent der Befragten bewerten den Qualitätsverlust in der medizinischen Versorgung als dramatisch (Vorjahr: 84 Prozent). Befragt wurde im Übrigen nach Schulnotensystem: 1 steht für „stimme sehr zu“, 5 für „stimme gar nicht zu“. Die angegebenen Zahlen ergeben sich aus den ersten beiden Schulnoten, also „stimme sehr zu“ oder „stimme eher zu“. Die Engpässe bei der Versorgung der Patienten verstärken sich für 84 Prozent (Vorjahr: 78 Prozent), die Ausbildung wird ebenfalls für 84 Prozent schlechter (Vorjahr: 82 Prozent). Katastrophal fällt das Zeugnis für die Politik aus: 77 Prozent fühlen sich von der Stadtpolitik im Stich gelassen (Vorjahr: 72 Prozent). 80 Prozent sagen, Stadtrat Hacker nehme Gefährdungsanzeigen nicht ernst (Vorjahr: 68 Prozent).

„Die These, dass die Pandemie Haupttreiber für die Drucksituation im öffentlichen Gesundheitswesen ist, kann nur mehr partiell aufrechterhalten werden“, sagt Hajek. „Es wird zwar Aus- und Nachläufer der Pandemie geben, die Werte von Patientenversorgung und Gesundheitspolitik haben sich jedoch zum Teil signifikant verschlechtert, was ein Jahr nach der Pandemie auch andere Gründe haben muss.“ Von einem „verlorenen Jahr“ und einem „Bankrott der Wiener Gesundheitspolitik“ spricht Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Kammer und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte. „Mit unserem Zehn-Punkte-Plan läge das chirurgische Instrumentarium für das Gesundheitssystem bereit, die Politik will aber nicht operieren.“

Die wichtigsten Forderungen

Zu den wichtigsten Forderungen der Wiener Ärztekammer gehören – neben einer Erhöhung der Gehälter um 30 Prozent bei gleichzeitiger Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Wochenstunden – eine Rückkehr- und Bleibeprämie von 24.000 Euro für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe, flexiblere Arbeitszeitmodelle, weniger Bürokratie und eine transparente Bestandsaufnahme mit Auflistung aller offenen und besetzten Stellen. Zudem fordert die Kammer eine grundlegende Strukturänderung – nämlich die vollständige Ausgliederung des Wiener Gesundheitsverbunds von der Stadt Wien – inklusive Finanz- und Personalhoheit für die Ärztlichen Direktoren der Kliniken. Und zwar unabhängig von den Magistratsabteilungen MA 1 (Digitales) und MA 2 (Personalservice).

Allesamt Forderungen, die für die Kammer zwingend erfüllt werden müssten. Andernfalls wollen die Spitalsärzte Anfang Dezember einen Tag lang streiken. Es wäre der erste Streik seit 2016.

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