Serie

„Eine Frage der Chemie“: Fernsehköchin mit Labormantel

Ein Labormantel in der Küche: So will es Elizabeth Zott. Sie entwickelt sich aber auch modisch weiter.
Ein Labormantel in der Küche: So will es Elizabeth Zott. Sie entwickelt sich aber auch modisch weiter.
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Retro-Charme in Labor und Küche: Die Verfilmung des Bestsellers ist kitschig – und trotzdem will man nicht damit aufhören. Vor allem wegen der Hauptdarstellerin.

Oft berühren uns die Figuren, in deren Stärke viel Verletzlichkeit liegt. So wie bei Elizabeth Zott, die mit beinahe rührender Leidenschaft um das kämpft, was ihr im Leben wichtig ist. Um Professionalität, etwa. Auch als Fernsehköchin. Weshalb sie am Weg in ihre komplett in Pastellrosa getauchte Showküche Fragen stellt wie „Haben Sie das Natriumchlorid, das ich haben wollte?“. Vor den Kameras steckt sie noch einen Bleistift in ihre perfekte Frisur, dann begrüßt sie die Zuseherinnen von “Supper at Six”. Sachlich, ohne Lächeln. Eine Chemikerin als Star in einer Kochshow der 60er Jahre? Eine Frau, die gelungene Lasagne mit der molekularen Struktur von Käse und Bechamel erklärt? Die Handlung von „Eine Frage der Chemie“ mag etwas nischig erscheinen, doch die (übrigens fiktive) Geschichte wurde im vergangenen Jahr zum Bestseller. Und der Roman, den Bonnie Garmus als Debut mit Mitte 60 vorgelegt hatte, nun in enormen Tempo von Apple TV+ verfilmt.

Die Kochsendung, mit der die erste Episode beginnt, die vielen Fans am Eingang zum Studio, das professionell-geschäftige Treiben: Es ist ein Ausblick in Zotts Zukunft. Eine, die sie nicht anstrebt. Denn eigentlich versucht die junge Frau, ihren Weg in der Wissenschaft zu machen. Am Hastings-Institut, wo sie als Assistentin angestellt ist, legen ihr die meisten Männer freilich Steine in den Weg. Und geben Kaffeebestellungen auf, immerhin befinden wir uns in den früher 1950er Jahren. Sie wäre bei ihrer Forschung um einiges weiter, wenn sie nicht exzellenten Kaffee für mittelmäßige Chemiker machen müsste, erklärt Elizabeth einem Kollegen, der beim Wort „Diskriminierung“ große Augen macht.

Das Labor im Morgenlicht, die weißen Mäntel, die Reagenzgläser, Kolben und Messbecher. Die Hingabe einer ziemlich genialen Frau an ein „nerdiges“, von Männern dominiertes Fach und ihr beharrlicher Versuch, sich darin Boden zu erkämpfen – das alles erinnert an eine andere Serie. „Das Damengambit“ hat auch einen ähnlichen Retro-Charme. Mit perfekten Frisuren, schnittigen Sonnenbrillen und Cadillacs wird die Ästhetik der 50er und 60er Jahre kunstvoll heraufbeschworen. Die Schachserie ist allerdings kantiger, abgründiger. „Eine Frage der Chemie“ hat einige kitschige Momente und selbst in den traurigsten Szenen einen ostentativ hoffnungsfrohen Unterton. Irgendwie muss ja alles gut werden, denkt man, denn die Heldin hat ja neben ihrem Kampfwillen unglaubwürdig viele Vorzüge. Doch weil Oscar-Preisträgerin Brie Larson (prämiert für ihre Rolle in „Raum“, seitdem als Marvel-Kämpferin zu sehen) der Forscherin so viel Charme verleiht, verzeiht man ihr die Überperfektion. Meist.

Zarte Liebe, leider mit tragischem Ende.
Zarte Liebe, leider mit tragischem Ende.

Ihre stärksten Momente hat die Serie aber, wenn es um die Liebe geht. Elizabeth trifft in jenem Forscher, der ihre Fragen teilt, ihr perfektes Gegenüber. Am Institut ist Calvin (schön schräg: Lewis Pullman) der eigenbrötlerische Star. Er verfällt Elizabeth spätestens, als sie ihn bekocht. Abends hackt sie Radieschen, dünstet Mangold, zerlegt das perfekte Brathuhn, um mittags vor perfekten Lunchboxen mit ihm über Moleküle diskutieren zu können. Nur dass die zarte Liebesgeschichte leider nicht gut endet. Und über Umweg dazu führt, dass Elizabeth irgendwann im Fernsehstudio steht und zum Kochen einen Labormantel für ihren Auftritt verlangt. Fall oder Aufstieg? Beides irgendwie, denn am Ende hat nicht nur die Köchin Macht, etwa über die Produktion, sondern sie ermächtigt auch ihr weibliches Publikum. Indem sie zuerst einmal den Stellenwert der Küchenarbeit erhöht.

Ja, manche Momente sind sehr plakativ. Und doch ist „Eine Frage der Chemie“ eine Serie, die eine echte Sogwirkung entwickelt. Die man am liebsten in einem Durch schauen würde. Wenn nicht Apple TV+ (so wie auch andere Streamingdienste) die unangenehme Taktik entwickelt hätte, bei neuen Serien die Folgen nur im Wochentakt freizugeben.

Zu seit Mitte Oktober sehen auf Apple TV+

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