Prozesstag 2

Kurz erklärt sein berühmtes SMS: „Kriegst eh alles“ hieß „krieg den Hals voll“

Sebastian Kurz am zweiten Prozesstag im Straflandesgericht Wien.
Sebastian Kurz am zweiten Prozesstag im Straflandesgericht Wien.Reuters / Lisa Leutner
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinem früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli werden Falschaussagen zur Last gelegt. Beide plädieren auf nicht schuldig. „Die Presse“ berichtete live aus dem Gericht.

Für Bettina Glatz-Kremsner war es mit dem ersten Verhandlungstag auch schon wieder vorbei. Die einstige Vize-Bundesparteichefin der ÖVP und frühere Casinos-Generaldirektorin nahm eine Diversion in der Höhe von 104.060 Euro an. Der Prozess wegen des Verdachts auf falsche Beweisaussage nach § 288 StGB bleibt ihr folglich erspart. Nicht so schnell geht es für den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen einstigen Kabinettschef sowie langjährigen Vertrauten Bernhard Bonelli. Beide plädierten zwar wie Glatz-Kremsner auf „nicht schuldig“, beide mussten aber heute, Freitag, bei aufrechter Unschuldsvermutung wieder in den Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen kommen.

Gleich zu Beginn erinnerte sich Kurz an die Situation, als er 2020 im U-Ausschuss von seiner politischen Konkurrenz befragt worden war: „Ich habe die Angst gehabt, dass jedes Wort, das ich verwende, verwendet wird, um mich in ein Strafverfahren hineinzudrängen.“ Seit das „Ibiza-Video“ publik geworden und Türkis-Blau aufgekündigt worden sei, habe sich das politische Klima derart verändert, dass er diese Furcht haben musste. Denn, so der Ex-Regierungschef: „Sie wollten mich einfach zerstören.“ Daher habe er seine Aussagen eher allgemein formuliert. Aber, er habe sich trotzdem bemüht, wahrheitsgemäß zu antworten. Und die Wahrheit sei nunmal, dass er Thomas Schmid nicht zum Alleinvorstand der Staatsholding Öbag gemacht habe und dass er auch keine der dortigen Aufsichtsräte bestimmt habe. Überdies habe er nichts von etwaigen Deals zwischen seinem einstigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) gewusst.

Kurz an den Richter: „Ich bin ja kein Trottel“

Die anschließende Einvernahme von Kurz durch Richter Michael Radasztics verlief passagenweise weitaus emotionaler. „Ich bin ja kein Trottel, ich verstehe schon, dass man das auch in die andere Richtung interpretieren kann.“ Aber: „Ich habe das nicht in die andere Richtung gemeint“, warf er den Oberstaatsanwälten Gregor Adamovic und Roland Koch vor, etwas zu konstruieren. Als Kurz dann auch noch den Gesichtsausdruck von Adamovic als „verdutzt“ kommentierte, ermahnte Radasztics ihn: „Ich verstehe die Emotion, aber tu‘ ma nicht kommentieren, wer wie dreinschaut.“ Stattdessen sollte Kurz vielmehr kommentieren, was er hörte und sah – soll heißen: Der Richter ließ Teile von Kurz‘ Befragung vor dem U-Ausschuss über die Tonanlage des Saals einspielen und stellte Fragen dazu. Im Anschluss daran verlas er einige Chatnachrichten, ausgetauscht zwischen Schmid und Kurz sowie Passagen aus Schmids Aussage vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Kurz erläuterte dazu: Dass es Schmid gewesen sei, der unbedingt Öbag-Vorstand werden wollte. Über diese Motivation habe er Kurz informiert. Für Kurz seien damals aber andere Themen relevanter gewesen – immerhin sei man 2017 im Wahlkampf gewesen, er dann Kanzler geworden. Überdies habe Schmid ihn auch gar nicht gebraucht, denn dieser sei damals ja Generalsekretär im Finanzministerium gewesen und „war in einer totalen Machtposition“. Er habe „das Öbag-Gesetz verhandelt“ und „seine eigene Ausschreibung manipuliert“. In dieser Weise sei auch die, mittlerweile zu Berühmtheit gekommene Chatpassage zwischen den beiden zu lesen. Gemeint ist: Schmid schrieb an Kurz: „Bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate. Das wäre ja wie Wiener Stadtrat ohne Portfolio.“ Kurz darauf: „Kriegst eh alles, was du willst.“

„Kriegst eh alles“ hieß „krieg den Hals voll“

Im Gerichtssaal zeigte sich der Ex-ÖVP-Chef „sehr dankbar“ dazu Stellung beziehen zu können, handele es sich doch um eine Nachricht, die wie keine, mediale Vorverurteilung hervorgerufen habe. Die Wahrheit aber sei: Schmid wollte damals nicht nur Öbag-Chef werden, sondern er wollte auch der Vorsitzende in anderen Aufsichtsräten werden – bei der OMV, dem Verbund. Niemand habe das gutgeheißen, schilderte Kurz. Sein „kriegst eh alles“ sei daher als „krieg einmal den Hals voll“ gemeint gewesen. Auf den Einwand des Richters, warum Kurz dieser Nachricht drei Bussi-Smileys angefügt habe, meinte er, dass er nie jemanden grob ins Gesicht gesagt habe, wenn „er irgendeinen Scheiß gemacht hat“, sondern er habe das subtil-freundlich kommuniziert. Genau so, seien diese Zeichen zu verstehen gewesen und er glaube, bei Schmid sei das auch so angekommen.

Fest stehe jedenfalls, dass er keinesfalls alle Personalentscheidung in der Republik getroffen habe. Dafür hätte er gar keine Zeit gehabt, sei er als Regierungschef doch mit tausenden unterschiedlichen Dingen befasst gewesen. Aus diesem Grund habe er auch Personen in sein Team geholt, denen er vertraue und die Expertise hätten. Eine solche Person sei Löger gewesen. „Das waren keine Lemminge“, hielt Kurz fest. Löger habe eigene Ansichten gehabt - etwa, wer Öbag-Aufsichtsratvorsitzender werden sollte. Während Kurz in dieser Position gerne den Industriellen Siegfried Wolf gesehen hätte, lehnte Löger das ab. Und das Ergebnis sei gewesen, dass es Wolf nicht geworden wäre; immerhin habe Löger das Entscheidungsrecht, so Kurz. „That‘s life.“ Sanktionen gegen Wolf hätten damit rein gar nichts zu tun gehabt.

Zudem Thema, dass zwischen Löger und Strache Postenvergaben vereinbart worden sein sollen bzw. zwischen Thomas Schmid auf der Seite der ÖVP und Arnold Schiefer auf der Seite der FPÖ, sagte Kurz: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass das, was die ausgemacht haben, nicht das gewesen ist, was ich ausgemacht habe.“ Und: „Es gab viele Vereinbarungen. Das ist ein Riesensystem - 14 Minister, 14 Kabinettschefs, Abgeordnete, Bereichssprecher, die verhandeln alle die ganze Zeit etwas miteinander.“

Im Straflandesgericht Wien wird übrigens gleich am kommenden Montag weiterverhandelt. Ab 9:30 Uhr soll Bonelli einvernommen werden. Außerdem soll dann darüber entschieden werden, welche Zeugen im Großen Schwurgerichtssaal zu hören sein werden.

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