Gaza

Indizien für Palästinenser-Rakete als Grund für Spitalskatastrophe mehren sich

Der Schauplatz der Explosion auf dem Spitals-Vorplatz am Mittwoch.
Der Schauplatz der Explosion auf dem Spitals-Vorplatz am Mittwoch.Reuters / Stringer
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Analysen von Videos nähren die Behauptung Israels, dass der Platz vor einem Krankenhaus in Gaza nicht von einer israelischen Waffe getroffen wurde, sondern von einer, die im Gazastreifen startete. Es gibt auch Zweifel an der behaupteten Opferzahl.

Nach der schweren Explosion vor einem christlichen Krankenhaus in Gaza-Stadt, bei der am Dienstagabend laut palästinensischen Angaben vom Mittwoch mehr als 470 Menschen gestorben und über 320 verletzt worden sein sollen, mehren sich die Indizien, wonach das Unglück durch eine von Militanten im Gazastreifen abgefeuerte Rakete verursacht wurde.

Die Palästinenser, mehrere arabische Regierungen sowie der Iran hatten schon kurz nach dem Unglück, das gegen 19 Uhr Ortszeit stattgefunden hatte, Israel dafür verantwortlich gemacht, und trotz der Dunkelheit, die Nachforschungen erschweren musste, unerwartet rasch hohe Opferzahlen genannt. In Israel wird das seither bestritten und man will Beweise für eine Verursachung durch palästinensische Kämpfer haben.

Die Explosion hat sich jedenfalls auf einem Parkplatz bzw. Vorplatz vor dem Al-Ahli-Spital, das der anglikanischen Kirche gehört, ereignet. Dort hielten sich zur Unglückszeit angeblich Hunderte Menschen auf, die vor israelischen Angriffen und der erwarteten Bodenoffensive als Reaktion auf den Überfall von Hamas-Kämpfern auf Israel am vorvergangenen Wochenende geflohen waren.

Mehrere teils bereits bekannte Videos vom Nachthimmel über Gaza-Stadt sind nun näher ausgewertet worden, unter anderem von Experten im Auftrag der BBC. Auf einem davon, aufgenommen vom israelischen Grenzort Netiv Haasara im Norden von Gaza und etwa zehn Kilometer vom Spital entfernt, sieht man demnach, wie offenbar irgendwo westlich des Spitals im Gazastreifen selbst eine Salve von etwa 17 Raketen in den Himmel steigt. Man erkennt noch Restlicht der Abenddämmerung dahinter, und die Raketen am Feuerschweif in der Aufstiegsphase.

Raketensalven

Mindestens zwei davon scheinen allerdings von der generellen Flugbahn der anderen abzuweichen, ihre ist deutlich niedriger, ihr Steigungswinkel geringer. Wenige Sekunden später folgt eine feurige Explosion, die man später als solche vor dem Spital erkannt hat. Eine Vermutung lautet also, dass eine dieser irrlaufenden Raketen vorzeitig zu Boden fiel.

Ein weiteres Video, das auch live im arabischen TV-Sender al-Jazeera vorkam, wurde indes von einem ganz anderen Winkel aus aufgenommen, offenbar von Süden/Südosten her, und zeigt diese erwähnte Raketensalve zunächst nicht. Hier sieht man den Feuerschweif von nur einer einzigen Rakete, die steil hochsteigt, vermutlich westlich/nordwestlich des Spitals.

Explosion in der Luft

Die Rakete scheint, ganz sicher ist das nicht, im Flug plötzlich etwas langsamer zu werden. Es folgt so etwas wie eine leichte Explosion oder ein Austritt feurigen Gases, die Rakete ändert plötzlich und mit einem großen Winkel den Kurs, beschleunigt stark, glüht grell auf und explodiert. Etwa sechs Sekunden danach gibt es am Boden unterhalb eine kleinere Explosion, nach acht Sekunden eine große, die man vor dem Spital verortet hat. Dabei fällt die enorme Brandentwicklung auf.

Am Ende schwenkt die Kamera indes nach links, gen Westen, und nun sieht man dort eine Salve aufsteigender Raketen, bei der es sich um jene des anderen Videos gehandelt haben könnte, die aber aufgrund der Zeitenfolge eher eine zweite aus derselben Gegend ist. Diese Salven dürften daher mit der Explosion eher nichts zu tun gehabt haben. Im Gegenteil: Sieht man sich das zweite Video in den ersten Sekunden näher an, beobachtet die Position von Gebäuden (darunter des Spitals selbst) und denkt sich die Flugbahn weiter zurück bis zu ihrem Beginn am Grund, den man nämlich leider nicht sieht, so hat man den Eindruck, dass diese Rakete in ziemlicher Nähe des Krankenhauses gestartet worden ist.

Die von der BBC befragten Experten und andere erkennen hinter diesen Raketen jedenfalls keine israelischen Waffen. Jene, die in der Luft zerbrach, dürfte das wegen eines Defekts des Feststoffmotors getan haben, meint Justin Bronk, Forscher am britischen Militärforschungsinstitut RUSI (Royal United Services Institute). Die ganze Sache sei zwar schwierig, so Bronk, „aber es sieht so aus, als sei die Explosion auf dem Parkplatz von einem abstürzenden Raketenteil verursacht worden, dessen restlicher Brennstoff abbrannte.“

Ein anderer Forscher, Juan Andres Gannon von der Vanderbilt-Universität in Kalifornien, glaubt, dass der Raketenantrieb in der Steigphase überhitzte, die Hülle platzte und das Geschoss deshalb außer Kontrolle geraten ist. Auf eine solche Fehlfunktion beim Abbrand des Feststoffantriebs hat auch das israelische Militär hingewiesen. Zudem wurde ein angeblich abgehörtes Telefonat zweiter Hamas-Leute präsentiert, in denen die Rede davon ist, dass die Rakete „von uns“ sei, also von den Palästinensern. Die Authentizität lässt sich indes nicht bestätigen.

Zweifel an angeblicher Opferzahl

Bilder von dem verwüsteten Platz vor dem Spital zeigen derweil keinen großen Einschlagskrater und nur mäßige Schäden etwa an Mauerwerk und Fliesenkonstruktionen, was nicht wirklich auf eine Fliegerbombe mit großer Druckwelle und Zerstörungsradius hinweist. Dafür gibt es allerdings starke Brandspuren. Der Platz ist nicht sehr groß und war noch am Mittwoch mit Autos einigermaßen vollgeparkt, von denen viele zwar ausgebrannt, aber nur einige wenige zerschmettert sind. Insgesamt nährt das alles Zweifel am Vorwurf einer Bombardierung durch Israel, und dass sich im Moment der Katastrophe wirklich so viele Menschen dort aufgehalten hatten.

Eine europäische Geheimdienstquelle sprach davon, dass es aufgrund der Aufnahmen wohl eher Dutzende als Hunderte Opfer gegeben haben dürfte.

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