Interview

Strabag-Chef Klemens Haselsteiner: „Ich muss mich jeden Tag würdig erweisen“

Klemens Haselsteiner übernahm heuer die Führung des Baukonzerns Strabag.
Klemens Haselsteiner übernahm heuer die Führung des Baukonzerns Strabag.Die Presse/Caio Kauffmann
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Der Strabag-Chef, Klemens Haselsteiner, steht als Sohn von Hans Peter Haselsteiner besonderen Erwartungen gegenüber. Ein Gespräch über Haltung, Leistung und Nachfolge.

Die Presse: Manch einer in Ihrer Position wäre einfach nur Erbe. Warum tun Sie sich das Unternehmertum an?

Klemens Haselsteiner: Ein Leben, in dem man sich nur den Vergnügungen hingibt, aber nichts leistet, wird auf Dauer nicht nur langweilig, sondern auch unbefriedigend. Ich möchte meinen bescheidenen Beitrag leisten. Deswegen würde ich nicht sagen, dass ich mir etwas antue. Ich sehe es als große Chance. Die möchte ich nutzen und auch zeigen, dass ich mich der Herausforderung würdig erweise.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich noch würdig erweisen müssen?

Ich muss mich jeden Tag würdig erweisen. Wir reden von einer Verantwortung für 83.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Familien. Das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Jeden Tag aufs Neue sollte man sich die Herausforderungen, aber auch die Möglichkeiten bewusst machen. Ich tue nicht so, als hätte ich es geschafft. Jeden Tag werden die Karten neu gemischt. So lang mache ich das auch noch nicht. Aber selbst in zehn Jahren werde ich nicht sagen, jetzt habe ich ausgelernt. Wenn das meine Einstellung wird, sollte ich aufhören.

Stimmt. Sie sind erst seit heuer Vorstandsvorsitzender. 2012 gab es schon einmal die Diskussion, ob Sie übernehmen könnten. Es hieß aber, Sie seien zu jung. Hätten Sie sich damals die Chefposition schon zugetraut?

Damals war ich 32. Ich würde sagen, nein.

Warum?

Das liegt an der Frage, was man für so einen Job mitbringen muss. Ich habe mich entschieden, dass ich einen wesentlichen Teil meiner Ausbildung im Unternehmen machen möchte. Damals war ich erst knapp zwei Jahre im Unternehmen. Daher wäre es noch zu früh gewesen, denn ich wollte noch mehr operative Erfahrung sammeln. Die habe ich inzwischen, und von der zehre ich jetzt auch.

Der Würdige
Klemens Haselsteiner (42) ist seit 2011 für die Strabag tätig und folgte im Jänner 2023 auf Thomas Birtel als Vorstandschef des Bautechnologiekonzerns. Sein Vater, Hans Peter Haselsteiner, baute die Strabag zum größten Baukonzern Österreichs aus. Der im Südtiroler Bozen aufgewachsene Klemens Haselsteiner begann seine Berufslaufbahn 2004 bei KPMG, es folgte die Tätigkeit in einem russischen Industriekonzern. Der Betriebswirt studierte in Chicago, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Sie haben im Alter von fünf Jahren Interesse für das Unternehmen bekundet. Wann haben Sie entschieden, ins Unternehmen einzusteigen?

Als Fünfjähriger war ich mir der Auswirkung wahrscheinlich noch nicht bewusst. Es war von meiner Seite nie in Stein gemeißelt. Ich musste Schritt für Schritt zeigen, dass ich das kann. Denn es war für mich immer klar, wenn ich es mache, dann will ich es gut machen. Ob ich es gut mache, weiß ich mit heutigem Stand nicht. Damals hätte ich gesagt, es gibt Bessere, die den Job machen, wie z. B. meinen Vorgänger, Thomas Birtel.

Sie haben also frei entschieden? Ihr Weg ins Unternehmen war nicht vorbestimmt.

Eindeutig. Wenn ich zu irgendeinem Zeitpunkt gesagt hätte, ich will das nicht machen, hätte mich keiner gezwungen.

Sie haben aber schon viel zugeschaut als Kind, oder?

Das kann man schon sagen – soweit man das konnte. Damals gab es noch keine Handys, keine Videocalls. Es gab Erzählungen vom Vater am Wochenende, obwohl er dann schon nicht mehr über das Geschäft reden wollte. Aber ich habe schon das eine oder andere aufgeschnappt, und ein paar Baustellenbesuche waren auch dabei.

Wie gehen Sie Führung an?

Ein hohes Maß an Vertrauen meinen Mitarbeitern gegenüber ist mir ganz wichtig. Das versuche ich auch vorzuleben. Sehr starke Kontrolle und Vorgaben sind nicht meine präferierte Methode, auch wenn junge Managerinnen und Manager am Anfang mehr Vorgaben und Kontrolle brauchen, damit sie sich selbst zurechtfinden. Sonst bin ich ein Freund davon, Freiräume zu schaffen und zu ermutigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Man darf kein Problem damit haben, dass andere besser sind als man selbst. Wenn ich in einer Fachdiskussion der Gescheiteste am Tisch wäre, hätte ich etwas falsch gemacht. Ich habe sehr gute Leute, die ausgewiesene Experten sind. Es gibt Manager, die unersetzbar sein wollen. Mein Ziel ist das Gegenteil. Der Laden sollte eigentlich ohne mich sehr gut funktionieren. 

Es gibt ja einige Manager, die sind kaum in Österreich. Sie sind gern vor Ort, und zwar sogar auch auf den Baustellen.

Es ist sicherlich eine Frage von Zeitmanagement und Prioritäten. Mir ist es wichtig, denn ich will nicht die Bodenhaftung verlieren. Mich interessieren die Probleme auf der Baustelle und welche Optimierungen möglich sind. Bisher habe ich bei jeder Vor-Ort-Besichtigung Themen für Verbesserungen mitgenommen.

Sie haben das Unternehmen in einem komplexen Umfeld übernommen: Zinsschock, Wirtschaftsflaute, Corona-Nachwehen, Lieferkettenprobleme, Arbeitskräftemangel, Baustopp, Ende des Immobilienbooms. Hatte es Ihr Vater einfacher?

Das kann man nicht vergleichen. Die Herausforderungen waren andere. Mein Vater hat ein regionales Bauunternehmen zu einem weltweit tätigen Konzern ausgebaut. Eine Leistung, der ich meinen Respekt zolle. Ich muss eine große Organisation motivieren, noch besser zu werden. Wir bereiten uns auf die Zukunft vor und halten den Geist eines Familienunternehmens hoch. Ein Unternehmen dieser Größe innerhalb der Eigentümerfamilie zu übernehmen – auch wenn ein CEO dazwischen tätig war – bringt eigene Herausforderungen mit sich.

Welche Herausforderungen?

Als Sohn wird man besonders beobachtet. Das ist nicht nur ein Nachteil. Man bekommt Chancen, die man sonst nicht erhalten hätte.

Sie müssen sich extra beweisen?

Nicht nur extra beweisen. Man trifft im Unternehmen niemanden, der nicht schon eine Meinung über einen hat. Ich habe das immer als Chance wahrgenommen. Denn die Meinung, die über Kinder reicher Eltern herrscht, ist eigentlich so negativ, dass man die Menschen erstaunlich leicht positiv überraschen kann. Für mich ist klar: Egal aus welchem Haus, man sollte nicht so tun, als sei man etwas Besseres.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung für die Strabag?

Es gibt eine Menge an Herausforderungen, wie Klimaneutralität. Aber die größte Frage ist, wo bekommen wir die besten Arbeitskräfte her? Wie stelle ich ein Arbeitsumfeld zur Verfügung, in dem alle gern dabeibleiben? Der War for Talents wird bis auf Weiteres unsere größte Herausforderung bleiben.

Sind Sie mit der Arbeitsmarktpolitik zufrieden?

Wenn wir uns etwas wünschen dürften: alles, was bürokratische Hürden abbaut, um Fachkräfte, die nichts anderes wollen, als ihren Beitrag zu leisten, nach Österreich zu holen, nicht nur innerhalb der EU, sondern auch darüber hinaus. Internationale Arbeitskräfte zu akquirieren wird künftig einer unserer Schwerpunkte sein.

Sie haben fünf Jahre in Russland gearbeitet. Wie geht man als Unternehmer mit geopolitischen Risiken um?

Wünschenswert ist, so proaktiv wie möglich. Geografisch zu diversifizieren ist ein ganz anderes Thema als noch zu Zeiten der großen Aufbruchsstimmung nach dem Fall der Mauer. Was Russland betrifft, war für uns im Vorstand völlig klar, dass wir die Konsequenzen ziehen und den Markt verlassen.

Welches unternehmerische Umfeld für die nächste Generation würden Sie sich wünschen?

Hier ist der Reflex immer, dass man ins Jammern verfällt. Jemand, der das unternehmerische Risiko nicht scheut, hat in Österreich alle Möglichkeiten. Allerdings sind die bürokratischen Hürden in Österreich im Vergleich zu den USA deutlich höher. Gerade Jungunternehmern sollte man Brücken bauen und nicht Steine in den Weg legen.

Als Konzernboss des drittgrößten Unternehmens Österreichs müssen Sie politischen Einfluss nehmen, oder? 

Jein. Als Bauunternehmen sind wir apolitisch, da einer unserer größten Kunden die öffentliche Hand ist. Egal wer gewählt wird, wir müssen mit allen Regierungen gut zusammenarbeiten. Daher müssen wir zu einem gewissen Grad neutral bleiben. Andererseits sitzen wir in bestimmten Normungsgremien und versuchen dort nachhaltige und moderne Lösungen zu etablieren.

Wenn wir schon von der Zukunft sprechen, haben Sie darüber nachgedacht, wer von Ihren Kindern einmal das Ruder übernehmen wird?

Mein Sohn hat sich mit fünf im Kindergarten schon geoutet. Er wurde gefragt, was er einmal werden will, und da hat er Strabag-Chef geantwortet. Und so wiederholt sich die Geschichte.

Wie früh wird das wirklich geregelt?

Die Zuverlässigkeit muss schon etwas größer sein als bei einem Fünfjährigen. Zunächst muss Interesse bestehen und dann Commitment. Dann muss man unter Beweis stellen, dass man das auch kann.

Land der Jungen?

Klima, Arbeit, Beziehungen: Unsere Lebensweise steht zur Diskussion. Was will die junge Generation? Ein „Presse“-Schwerpunkt zum Nationalfeiertag.

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