Nachruf

Philosoph Hans Albert mit 102 Jahren gestorben

Freund und Kritiker der Vernunft: Hans Albert (1921 bis 2023).
Freund und Kritiker der Vernunft: Hans Albert (1921 bis 2023).APA/DPA/Evelin Frerk/Giordano-Bruno-Stiftung
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Der deutsche Philosoph und Soziologe Hans Albert war ein wichtiger Vertreter des kritischen Rationalismus. Viele Jahre prägte er das Forum Alpbach.

Alle Sicherheiten in der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos“, heißt es in Hans Alberts „Traktat über kritische Vernunft“ (1968). Was heißt: Man kann nichts sicher sagen. Alle Theoriegebäude, die Sicherheit versprechen, sind verkappte Theologien. Und die mochte Hans Albert, überzeugter Atheist, nicht, auch nicht, wenn sie sich undogmatisch gaben. So widmete er Hans Küng eine kritische Auseinandersetzung namens „Das Elend der Theologie“; dem Papst Benedikt XVI. erklärte er in „Joseph Ratzingers Rettung des Christentums“, dass er wesentlichen Problemen wie der Theodizee – der Frage nach der Verantwortung Gottes für das Böse – ausweiche.

Debatten mit Feyerabend

Konsequent wies Albert zunächst den Positivismus, den er zu Beginn seiner Denkerlaufbahn vertreten hatte, strikt zurück. Und begab sich auf die Seite Karl Poppers, der den kritischen Rationalismus begründet hatte. Diese Denkrichtung sagte nie, dass man gar nichts Vernünftiges sagen kann oder soll, nur eben: Man kann nie sicher sein. Man muss stets dafür offen sein, dass man seine Theorien ändern muss. Denn es gibt keine Letztbegründungen. Die Annahme zurückzuweisen, dass es doch welche gäbe, darauf verwendete Albert viel Scharfsinn, stritt dabei klar und geduldig. Etwa mit seinem Freund Paul Feyerabend, dessen „Anything goes“ ihm wieder zu wenig rational war. Er konnte aber auch hart urteilen: Habermas unterstellte er Unsinn, Gadamer nannte er einen Schwätzer. Es war ein subtiler Erfolg für ihn, dass die Frankfurter Schule im Grunde seine kritische Haltung übernahm. Wie viele andere. Man könnte überspitzt sagen: Der kritische Rationalismus war so erfolgreich, dass er sich selbst überflüssig machte.

1963 besetzte Hans Albert den frisch geschaffenen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre der Uni Mannheim, trotz etlicher Rufe blieb er dort bis zu seiner Emeritierung. Er erhielt fünf Ehrendoktorate (Athen, Kassel, Linz, Graz, Klagenfurt). Österreichs geistige Szene prägte er auch als jahrelanger wissenschaftlicher Leiter des Forum Alpbach. Dort brachte er unterschiedliche Köpfe von Popper bis Hayek, von Konrad Lorenz bis Imre Lakatos zusammen. „Dein Denken steht für Transparenz statt Transzendenz“, sagte der Klagenfurter Philosoph Josef Mitterer in seiner Laudatio zu Alberts 100. Geburtstag, „ich hoffe, dass ich von Dir mehr gelernt habe als nur die Abneigung gegen Wortschaumschlägerei und Begriffsinflation.“

Bis 2018 kam Hans Albert nach Alpbach, bis zuletzt blieb er agil im Denken. Und prägnant im Ausdruck. In einem Interview zum 100. Geburtstag fragte ihn die „Frankfurter Rundschau“, was der Unterschied zwischen ihm und Popper sei. „Ich habe länger gelebt, aber da kann ich nichts für“, sagte Hans Albert. Nun ist er dieser große kritische Rationalist im Alter von 102 Jahren gestorben. Begraben wird er im niederösterreichischen Mödling, der Heimat seiner Frau.

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