Geldpolitik

Die EZB legt eine Zinspause ein

EZB-Chefin Christine Lagarde nahm von einer weiteren Zinserhöhung Abstand. Die Entscheidung ist umstritten.
EZB-Chefin Christine Lagarde nahm von einer weiteren Zinserhöhung Abstand. Die Entscheidung ist umstritten. Reuters/Johanna Geron
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Der Leitzins in der Eurozone bleibt vorerst bei 4,5 Prozent. Kreditnehmer und Aktionäre können aber noch nicht aufatmen: Eine Senkung wird es nicht so schnell geben.

Die Europäische Zentralbank (EZB) legt im Kampf gegen die Inflation nach zehn Zinserhöhungen in Serie erstmals eine Zinspause ein. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag bei ihrer auswärtigen Zinssitzung in Athen, die Schlüsselzinsen nicht anzutasten. Der auf dem Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit weiterhin auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Der Leitzins bleibt bei 4,5 Prozent. „Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lang wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“, erklärten die Eurowächter. Hauptgrund für die lange Serie an Zinserhöhungen war die ausgeuferte Inflation.

Inflation ist etwas gefallen

Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus werde der EZB-Rat auch künftig einen „datengestützten Ansatz“ verfolgen, hieß es. Die Inflation war zuletzt im Durchschnitt der 20 Euroländer zurückgegangen. Im September sank sie auf 4,3 Prozent von 5,2 Prozent im August. Noch im Herbst 2022 war die Rate zeitweise über zehn Prozent gelegen. Eine niedrigere Inflation bedeutet aber nicht, dass die Preise zurückgehen, sondern nur, dass sie etwas langsamer steigen. Zudem ist die Teuerung immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der Euro-Notenbank von zwei Prozent.

Steigende Zinsen können dabei helfen, die Inflation nach unten zu drücken, sie haben aber auch negative Auswirkungen auf die Konjunktur und die Nachfrage. Kreditnehmer – insbesondere solche mit variabel verzinsten Krediten – müssen tiefer in die Tasche greifen. Auf Aktien und Anleihen haben steigende Zinsen auch meist ungünstige Auswirkungen. Nur Sparer erhalten etwas höhere Zinsen als noch vor einem Jahr. Um die Inflation auszugleichen, reicht aber häufig nicht einmal eine mehrjährige Bindung.

Bei der Entscheidung der EZB, die Zinsen dieses Mal nicht weiter anzuheben, dürfte die eingetrübte Konjunktur im Euroraum ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Wirtschaft hatte einer Umfrage zufolge zuletzt ihre Talfahrt beschleunigt. Der Einkaufsmanager­index für die Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleistungssektor zusammen – sank im Oktober um 0,7 auf 46,5 Zähler. Das ist der tiefste Stand seit rund drei Jahren. Außerdem dürfte die Wirtschaft in Deutschland im Sommerquartal laut Bundesbank geschrumpft sein. Geht die Wirtschaftsleistung im laufenden vierten Quartal nun abermals zurück, spricht man von einer sogenannten technischen Rezession.

Darüber hinaus ist für die Währungshüter der eskalierte Nahost-Konflikt als neuer Unsicherheitsfaktor hinzugekommen, der sich unter anderem auf die Energiepreise auswirken könnte. Auf diese kann die EZB mit ihrer Geldpolitik zwar unmittelbar keinen Einfluss nehmen, hohe Energiepreise könnten aber in weiterer Folge zu Zweitrundeneffekten (steigenden Löhnen) führen und die Inflation im nächsten Jahr anheizen. Indes stellt sich die Frage, wie es mit den Zinserhöhungen nun weitergehen wird. Laut einer jüngst erhobenen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters rechnet eine Mehrheit der Volkswirte damit, dass die EZB den Einlagensatz bis zur Jahresmitte 2024 konstant halten wird.

Ökonomen sind uneinig

Ökonomen bewerten die jüngste Entscheidung unterschiedlich. Ifo-Präsident Clemens Fuest begrüßte die Zinspause: „Die schnellen Zinserhöhungen seit etwa einem Jahr haben dazu beigetragen, die Inflation zu dämpfen und die Inflationserwartungen zu stabilisieren, und diese Entwicklung wird sich voraussichtlich in den kommenden Monaten fortsetzen. Für Zinssenkungen ist es allerdings noch zu früh. Dafür muss die Inflation weiter zurückgehen.“

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält die Pause für riskant: „Die EZB hat erneut signalisiert, ihre Leitzinsen vermutlich nicht weiter anzuheben. Das ist riskant, weil der Einlagensatz von 4,0 Prozent mit Blick auf das unterliegende Inflationsproblem nicht sehr hoch ist. Umso wichtiger ist, dass die EZB nicht vor der schwachen Konjunktur einknickt und die Zinsen möglichst lang auf dem erreichten Niveau belässt.“ Michael Heise von HQ Trust erwartet, dass die Pause länger dauern könnte: „Auch in kommenden Sitzungen ist kaum mit Zinserhöhungen zu rechnen, denn die Daten, anhand derer die EZB ihre Zinsentscheidungen prüft, dürften aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Anlass dazu geben.“ (Reuters/APA/red.)

Auf einen Blick

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins in der Eurozone bei 4,5% belassen. Das ist die erste Zinspause nach einer Serie von zehn Erhöhungen. Einige Ökonomen halten die Pause für verfrüht, weil man die Inflation noch nicht im Griff hat. Mit einer Senkung dürfte bis auf Weiteres nicht zu rechnen sein.

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