Wie sie wohl beim Referendum über den Maastricht-Vertrag abgestimmt hat? Eine Studentin bei der Lektüre des Vertragstextes am Strand von Marseille im August 1992.
Jahrestag

30 Jahre Maastricht-Vertrag: Das lose Korsett des Euros

Am 1. November 1993 trat der Maastricht-Vertrag in Kraft: die Grundlage für den Euro. Seit damals wird angezweifelt, wie konsequent seine Konvergenzkriterien eingehalten werden können.

Wäre ich ein Deutscher, hätte ich wenig Lust, meine Währung einem Franzosen anzuvertrauen, oder, noch schlimmer, einem Italiener. Oder aber, ich würde Garantien verlangen.“ Der namenlose Leitartikler der Tageszeitung „Le Monde“ nahm sich am 28. Februar 1992 recht trocken der Frage an, welche Folgen die Währungsunion für Europa haben werde. Drei Wochen zuvor hatten die zwölf Staats- und Regierungschefs dessen, was damals noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hieß, jenen Vertrag unterzeichnet, der nicht nur besagte Währungsunion bringen, sondern auch die Europäische Union schaffen sollte.

Das Weltgeschehen war stürmisch. Die Sowjetunion hatte sich soeben aufgelöst. Deutschland war wiedervereinigt. Die jugoslawischen Zerfallskriege nahmen Fahrt auf. „Es war ein geopolitischer Augenblick“, sagte Mathieu Seghers, Professor für zeitgenössische europäische Geschichte an der Universität Maastricht, bei einer Diskussion des Brüsseler Thinktanks Bruegel. „Die Unterzeichnung des Vertrags korrespondierte mit einem Umbau Europas. Das war ein Wendepunkt“, pflichtete ihm Amy Verdun, Professorin für europäische Politik und politische Ökonomie an der University of Victoria/Kanada und der Universität Leiden bei.

Deutschland kontrollieren

Die Schaffung einer europäischen Einheitswährung, die damals noch lange nicht Euro hieß, sondern ECU („European Currency Unit“, also Europäische Währungseinheit), und mit der man auch noch nicht bezahlen konnte, war das Ergebnis von vier Jahrzehnten französischer Diplomatie. „Die Franzosen haben seit den 1950er-Jahren eine Währungsunion angestrebt, um die deutsche Bundesbank unter Kontrolle zu bekommen“, sagte Seghers. Ein kühnes Ansinnen. „Doch dann fiel die Berliner Mauer, und der Moment war gekommen, um die Deutschen um die D-Mark zu bitten.“

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