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#schleichdiduoaschloch: Ein erinnerungs­politischer Mythos

Am Schauplatz des Terrors in der Wiener Innenstadt.
Am Schauplatz des Terrors in der Wiener Innenstadt. APA/Comyan/Roland Schlager
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Der Satz, der in der Terrornacht 2020 gefallen sein könnte, oder auch nicht, wurde zur Idee eines gemeinsamen Wien.

Wien. Ob der Ausruf am Ende nun wirklich getätigt wurde oder nicht, darüber ist man sich im Nachhinein gar nicht mehr so sicher. Dennoch hat der Satz „Schleich di, du Oaschloch“, den ein Anwohner dem Attentäter aus einem offenen Fenster zugerufen haben soll, das Medienecho der Terrornacht am 2. November 2020 und die darauf folgenden Tage geprägt. Heuer jährt sich der Anschlag, bei dem der selbst ernannte islamistische Attentäter vier Menschen getötet und 23 weitere verletzt hat, zum dritten Mal.

Aus diesem Anlass haben die Computerwissenschaftlerin Marcella Tambuscio und der Historiker Martin Tschiggerl von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) insgesamt 248.000 Tweets mit dem Hashtag #schleichdiduoaschloch von mehr als 133.000 Nutzern analysiert.

Und egal, wie denn nun die Genese des Hashtags war, „es handelt sich um einen ,erinnerungspolitischen Mythos’, der eng mit dem neu entstandenen kollektiven Gedächtnis zum Anschlag vom 2. November verbunden ist“, sagt Tschiggerl.

Positive Narrative

Erstaunt seien die Forscher gewesen, als sie bemerkten, dass es sich bei den Tweets vor allem um positive Narrative von Zusammenhalt, Gemeinschaft und des Gedenkens an die Opfer handelte. Nur in absoluten Einzelfällen seien islamophobe oder fremdenfeindliche Inhalte zu beobachten. „Es ging darum, sich nicht unterkriegen zu lassen und die Idee eines gemeinsamen Wien zu stärken“, sagt Tschiggerl.

Unter den Tweets von Nutzern aus dem Ausland dominierten Tweets mit Hashtags wie #viennaattack, #prayforvienna oder #0211w. Damit bezogen sich die Verfasser auf vorangegangene Anschläge in anderen Städten „Wenn wir uns die geografischen Koordinaten ansehen, erkennen wir, dass sie hauptsächlich aus Städten kommen, die ähnliche Anschläge erlebt haben – also Paris, Nizza oder Barcelona“, erklärt Marcella Tambuscio. Reaktionen kamen aber nicht nur aus Europa, sondern auch aus Indien: „Überrascht hat uns, dass es sehr starke Reaktionen in Indien gab, in denen die Erinnerung an den Anschlag in Mumbai 2008 reaktualisiert wurde“, sagt Tambuscio.

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