Bildungsaufstieg

Nur wer fleißig ist, kommt voran?

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Neue Studien zeigen: Die soziale Herkunft prägt das Selbstbild, welches wiederum den Bildungserfolg beeinflusst. Erstakademiker stellen außerdem häufiger ihr Talent in­frage, Studierende aus Drittstaaten vertrauen auf die eigene Leistung.

Neben dem Studium jobben, um sich das WG-Zimmer zu finanzieren, Geld für eine Auslandsexkursion auftreiben oder auf die Bewilligung des Stipendiums warten: Wer nicht auf die finanzielle Hilfe der Eltern zurückgreifen kann, hat es objektiv schwerer, ein Studium zu absolvieren. Jedoch sind es neben den rein materiellen Voraussetzungen auch psychische und emotionale Faktoren, die das Vorankommen an der Uni erschweren. Schon Begriffe wie „sozial schwache Familien“ oder „benachteiligte Menschen“ seien wenig förderlich für das Selbstbild von Studierenden aus einem nicht akademischen oder finanziell ­benachteiligten Elternhaus, sagt Christina Bauer, Sozialpsychologin an der Uni Wien, die zum Einfluss des Selbstbilds von Studierenden mit niedrigem sozioökonomischen Status (SES) auf deren Leistungen forscht.

Gesellschaft und Medien pushen Narrative

Narrative wie die oben genannten kämen immer wieder in der Gesellschaft und in den Medien vor und würden suggerieren, dass Personen mit niedrigem SES defizitär und schwach seien, so die Wissenschaftlerin. Hinzu kämen bestimmte stereotypische Assoziationen zu talentierten Menschen: „Talent wird eher mit Leuten verbunden, die Geige spielen, ins Theater gehen oder Hochdeutsch sprechen (alles Teil des Verhaltens von Leuten mit hohem SES) als mit Menschen, die beispielsweise Volksmusik machen und Dialekt sprechen.“ Diese defizitorientierte Art, wie über Menschen mit niedrigem SES gesprochen wird, führe wiederum zu Benachteiligungen – und verminderter Leistung, wie zwei von ihr durchgeführte Studien mit Studierenden aus nicht akademischen und finanziell eingeschränkten Haushalten in Florida zeigen. Jedoch konnte man mit relativ einfachen Mitteln die Leistung der Studierenden steigern. „Konkret ließen wir über 500 Studierende mit niedrigem SES darüber reflektieren, welche Stärken sie im Umgang mit ihren SES-Herausforderungen gezeigt haben; das hat ihre Noten über ein Semester verbessert und ihnen geholfen, den eigenen Hintergrund nicht so negativ zu sehen.“

»Talent wird eher mit Leuten verbunden, die Geige spielen oder ins Theater gehen.«

Christina Bauer

Sozialpsychologin, Universität Wien

Die Sozialpsychologin Christina Bauer forscht zum Einfluss des Selbstbilds von Studierenden mit niedrigem SES auf deren Leistung.
Die Sozialpsychologin Christina Bauer forscht zum Einfluss des Selbstbilds von Studierenden mit niedrigem SES auf deren Leistung. privat

Dass auch bei hiesigen Studierenden die sozioökonomische Herkunft eine Rolle beim Selbstkonzept spielt, zeigte sich in einem größeren Projekt, das Bauer im Frühsommer veröffentlichte („Die Presse“ berichtete). In fünf Studien wurde nachgewiesen, dass sich Studierende mit Nichtakademiker-Eltern zwar für fleißig, jedoch weniger talentiert halten als jene aus Akademikerhaushalten. Bei einer fiktiven Jobausschreibung sprachen sie entsprechend auf Jobprofile an, die Fleiß und Engagement stärker in den Vordergrund stellten als Begabung. 

Aufstieg aus eigener Kraft und Bildungsvererbung

Die eigenen Anstrengungen sehen auch Studierende, die aus Drittstaaten geflüchtet oder zugewandert sind, als erfolgsentscheidend an. Dies ergab eine ebenfalls in diesem Jahr erschienene Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS). Dafür wurden Interviews mit 51 Studierenden und Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien, Tschetschenien sowie Bosnien, Kroatien, Serbien und der Türkei geführt.

»Man vertraut darauf, den Bildungsaufstieg aus eigener Kraft heraus zu schaffen, im Vertrauen auf die leistungsorientierten Versprechungen des marktliberalen Westens.«

Hermann Kuschej

Bildungssoziologe (IHS)

Hermann Kuschej ist Bildungssoziologe- und ökonom. Am IHS forscht er zu Bildungserwartungen von Migranten und Migrantinnen.
Hermann Kuschej ist Bildungssoziologe- und ökonom. Am IHS forscht er zu Bildungserwartungen von Migranten und Migrantinnen.IHS

Laut Hermann Kuschej vom IHS empfinden speziell Befragte aus den drei erstgenannten Staaten, die faktisch die Brücken hinter sich als abgebrochen sehen, Leistungen als wesentlich entscheidender für das eigene Vorankommen als ihre soziale Herkunft oder das Geschlecht. „Man vertraut darauf, den Bildungsaufstieg aus eigener Kraft heraus zu schaffen, im Vertrauen auf die leistungsorientierten Versprechungen des marktliberalen Westens“, sagt der Bildungssoziologe. Diese Haltung habe sich sowohl bei den Eltern als auch bei den Jugendlichen gezeigt.

Rollenbilder und Vererbung

Bei den Kindern oder Enkelkindern der ersten Gastarbeiter-Generation konnte man in der IHS-Studie eine Tendenz zu höheren Bildungsabschlüssen feststellen, während deren Eltern und Großeltern noch fast ausschließlich auf den Arbeitseinstieg fokussiert waren. Laut Kuschej verläuft diese Entwicklung allerdings nur langsam und moderat, da geschlechtsspezifische Rollenbilder einen starken Einfluss ausüben. Hinzu komme die in Österreich sehr ausgeprägte Bildungsvererbung, also der Einfluss der Eltern auf den eigenen Bildungsweg, die durch das Schulsystem nur unzureichend ausgeglichen werde. Negative Selektionserfahrungen in Schule und Beruf würden zudem mit Diskriminierungserfahrungen aufgrund des eigenen Migrationshintergrundes in Beziehung gesetzt. „Daraus können über Generationen stabile resignative und fatalistische Einstellungen in Bezug auf den Wert der Bildung und das eigene Bemühen resultieren.“

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