Friedhöfe im Film

Im Film findet man selten Frieden auf dem Friedhof

Der (künstliche) Friedhof „Sad Hill“ aus dem Italo-Western „The Good, the Bad and the Ugly“.
Der (künstliche) Friedhof „Sad Hill“ aus dem Italo-Western „The Good, the Bad and the Ugly“.Netflix
  • Drucken

Es geht oft ganz und gar nicht friedlich zu auf Friedhöfen im Film. Zu sehr reizt die sakrale Aura des Zömeteriums zur Ruhestörung. Ein kleiner Motivkatalog des Leichenackers auf der Leinwand – vom Zombie-Nährboden bis hin zum Showdown-Schauplatz.

Ein Friedhof als Filmschauplatz? Das klingt zunächst nicht sehr stimmig. „Action!“ und ewige Ruhe gehen im Kopf schlecht zusammen – schweigende Gräber und Mausoleen entbehren schlichtweg der Lebendigkeit, die gute Drehorte auszeichnet. Dennoch eignet dem Zömeterium eine Symbolkraft, von der viele andere städtebauliche Raumelemente nur träumen können: Hier liegt weit mehr als nur ein Hauch von Vergänglichkeit in der Luft, hier hat der Tod sein Zelt aufgeschlagen und wirft ein Auge auf uns Besucher und künftige Kadaver.

Wohl ein Grund, warum Friedhöfe in Filmen und Serien wesentlich öfter vorkommen, als man meinen könnte – und zwar nicht nur in Gruselstreifen. Im Lauf der Zeit hat sich sogar eine Handvoll ästhetischer (Leit-)Motive rund um den Leinwand-Leichenacker herausgebildet. Ein kleiner Überblick.

Die Gefahrenzone

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Das Begriffspaar Friedhof und Kino evoziert bei den meisten von uns in erster Linie Bilder aus dem visuellen Repertoire des Horrorfilms. Es ist eine Assoziationskette, die recht früh in der Filmhistorie geknüpft wurde, vor allem durch Hollywood-Klassiker wie „Der Wolfsmensch“, die das Unheimliche an kreuzförmigen Silhouetten und nebelverhangenen Gittertoren mit kontrastreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen kunstvoll hervorzuheben wussten. Spätestens seit dem Großerfolg von George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968), der mit einem Überfall auf einem Friedhof beginnt, haben dann Zombies und andere „Walking Dead“ die Film- und Serienfriedhöfe überrannt. Wer in einem Horrorfilm neben einem Grabstein zum Stehen kommt, sollte daher auf der Hut sein, wir wissen: Alles Schlechte kommt von unten.

Der Spannungsbereich

Auf Friedhöfen wird es oft ernst, im echten Leben wie im Film – besonders, wenn man sich aufgrund eines Begräbnisses dorthin begibt. Zudem treffen bei solchen bisweilen zwangsläufig Menschen zusammen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben (und einander vielleicht nicht ausstehen können). Entsprechend hat sich im Erzählkino ein Szenentypus etabliert, der diese realen Umstände für dramaturgische Zäsursetzung, Zuspitzung und Zusammenfassung nutzt. Die Spannung zieht sich dabei meist aus einer Diskrepanz zwischen der Fassade feierlicher Trauer und den dahinter versteckten Gefühlen und Haltungen unterschiedlicher Filmfiguren. Eines der berühmtesten Exempel für dieses Motiv wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof gedreht: In der famosen Schlusssequenz von Carol Reeds Film noir „Der dritte Mann“ (1949) wird der von Orson Welles gespielte Bösewicht Harry Lime ebendort verscharrt. Welch abenteuerliche Begebenheiten zu seinem Tod geführt haben, wissen nur die hinterbliebenen, zum Schweigen verpflichteten Hauptfiguren – und, wohlgemerkt, wir Zuschauer. Ein anderes Musterbeispiel ist die Begräbnisszene aus Francis Ford Coppolas „Der Pate“: Während ein großer Mafioso zu Grabe getragen wird, wird sein Sohn eines Verrats gewahr – was den Keim für blutige Vergeltung legt.

Die Ruhestätte

Ja, es gibt sie: Filme, in denen Friedhöfe genau das darstellen, was sie sein sollen, Horte des Friedens und des Einklangs von Dies- und Jenseits. Im Grunde tun sie das in jedem Film, in dem sie ein „Happy End“ markieren: Happy nicht etwa, weil endlich alle tot sind, sondern weil die Lebenden und die Toten zu einem Einverständnis gekommen sind und einen einvernehmlichen Schlussstrich unter die vorangegangene Story setzen können. Sogar das Superheldenkino kennt dieses Motiv: Das weihevolle Ende von „Avengers: Endgame“ spielt zwar nicht auf einem Friedhof, verbreitet aber Friedhofsstimmung im Zuge einer Bestattungszeremonie im Gedenken an den verblichenen „Iron Man“ Tony Stark.

Ein Stück gebrochener, aber doch eminent versöhnlich ist die Soldatenfriedhof-Rahmensequenz von Steven Spielbergs Drama „Der Soldat James Ryan“, in der die Titelfigur am Grab ihres Retters von einer Vision – dem Kriegsfilm, den wir in der Folge sehen – heimgesucht wird.

Das Konfliktfeld

Freilich eignen sich Friedhöfe im Film vortrefflich zur fröhlichen Feier von Unfriedhöflichkeit – also zum frechen oder spannungsgeladenen Spiel mit der sakralen Aura des Orts. Es bedarf keiner Slapstick-Spompanadeln, um sie zu unterlaufen: In Alexander Paynes Drama „Nebraska“ reicht die lustvoll vulgäre Suada einer alternden Mutter, die die zu ihren Füßen versammelte Totenschaft mit allerlei Diffamierungen überhäuft, um der Bitternis unserer Hinfälligkeit ein herzhaftes Schmunzeln entgegenzusetzen. Verspielter geht es die Netflix-Serie „Lupin“ an, in der ein Meisterdieb seinen Tod vortäuscht, indem er per Tunnel aus seinem Sarg entfleucht. Eine der allereindrucksvollsten Friedhofssequenzen der Filmgeschichte hingegen setzt ganz auf das hohe Pathos des alles entscheidenden Showdowns: In Sergio Leones Spaghettiwestern „The Good, the Bad and the Ugly“ treffen die drei Titelfiguren am Ende inmitten eines (eigens für den Film errichteten) Friedhofs namens „Sad Hill“ aufeinander.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.