Das Geheimnis der MS Europa: überschaubar groß, luxuriös und eine familiäre Atmosphäre.
Kreuzfahrt

MS Europa: Noblesse braucht keine Krawatte

Sie zählt zu den Ikonen der Kreuzfahrtschiffe und räumt in Fachmagazinen laufend Preise ab. Aber was macht die MS Europa zu einem so besonderen Schiff?

Nordatlantik, 18. Oktober 2023, kurz vor Mitternacht, nahe der US-Ostküste irgendwo zwischen Newport und New York. Nachthimmel und See verschmelzen zu einer pech­schwarzen Wand. Hapag-Lloyds ikonisches Kreuzfahrtschiff, die MS Europa, pflügt langsam durch die ruhige See Richtung Süden. Allerdings verliert sie an Fahrt und stoppt schließlich. Die Passagiere schlafen nicht, sondern drängen sich auf Deck 8 und 9 Backbord (links) an der Reling. Nein, keine Sorge, das Schiff geht nicht unter, sondern feiert ein seltenes Ereignis. Denn am kaum zu erkennenden Horizont taucht im Süden ein heller Punkt auf und wird größer und größer. Es ist die vollbeleuchtete MS Europa 2, das Schwe­ster­schiff, das gerade von New York kommend nach Norden läuft. Die Kapitäne der beiden Schiffe haben ein Rendezvous auf hoher See ausgemacht. Wetter und Seegang ließen es zu.

Nun stoppt auch die Europa 2 mit genügend Abstand längsseits der Europa. Die Passagiere rufen einander zu, die beiden Schiffe lassen ihre Hörner donnernd tuten. Ein Tenderboot der Europa setzt zur Europa 2 über und übergibt den „Wanderer“, eine Kunstskulptur, die auf allen Schiffen der Hapag-Lloyd eine Zeit lang mitreist.

Unterschiedliche Konzepte

Eigentlich sind solche Showeinlagen eher das Metier der gigantischen Klubschiffe. Wobei, ein Treffen auf hoher See gehört dort sicher nicht zum Programm. Es gibt mittlerweile verschiedene Konzepte für Kreuzfahrten. Der große Boom hatte vor der Pandemie begonnen, ein Megaschiff nach dem anderen lief vom Stapel. Vier-, fünf- oder gar sechstausend Passagiere finden dort Platz. Alles ist inklusive, das Bordprogramm eine gigantische Show. Diese Schiffe sind schwimmende Vergnügungsparks mit Was­ser­­rutschen, Ein­kaufs­meile und Hoch­schau­bahn. Richtig gelesen. Wo genau die Reise hingeht, spielt weitgehend keine Rolle mehr. Das Schiff ist die Attraktion, weniger die angelaufenen Destinationen.

Dann gibt es das Segment der Expeditionskreuzfahrten. Speziell gebaute, robuste Schiffe bringen eine kleine Anzahl an forschungsfreudigen Passagieren an die entlegensten Orte des Planeten, die man eher aus Dokumentarfilmen kennt.

Die dritte Kategorie ist die Luxuskreuzfahrt. Sie stellt man sich gemeinhin so vor: Das zahlungskräftige Publikum fährt mit einem überschaubar großen Schiff an die weltweit edelsten Orte. An Bord dinieren die Gäste abends im sehr formalen Stil und schlürfen danach Cocktails und Champagner an der Bar, eine Band sorgt für den musikalischen Rahmen. Für Reisen dieser Art, im klassischen Stil, stehen etwa die Cunard-Schiffe. Aber vor allem die MS Europa: Die aktuell sechste Version der Kreuzfahrtlegende wurde 1995 geplant und 1999 in Dienst gestellt. Als erstes Schiff verfügte sie ausschließlich über Außenkabinen. Die meisten mit Balkon – damals eine Revolution. Außerdem bekam sie als eines der ersten Kreuzfahrtschiffe einen Azipod-Antrieb. Das bedeutet, dass die Schrauben nicht starr nach hinten gerichtet sind, sondern sich an Gondeln montiert um 360 Grad schwenken lassen. Auch das eine Revolution. Ein modernes Schiff also, auch heute noch.

MS Europa, 1999 in Dienst gestellt und 2019 modernisiert
MS Europa, 1999 in Dienst gestellt und 2019 modernisiertHapag-Lloyd

Krawatte bleibt daheim

Allerdings bricht Hapag-Lloyd auch gern mit Traditionen und probiert als Vorreiter in der Branche Neues aus. Nicht ohne intensive Marktforschung im Vorfeld, versteht sich. So hat die Reederei ihrem Flaggschiff Ende 2019 nicht nur eine Generalüberholung verpasst, sondern auch das Gesamtkonzept modernisiert. In nur zwei Wochen baute die Werft Blohm & Voss innen fast alles um. Der Spabereich – 1999 noch kein großes Thema – wurde deutlich erweitert, die Restaurants wurden neu strukturiert. Die großen Gesellschaftstische im Hauptrestaurant wichen Zweier-, Vierer- oder Sechsertischen. Die traditionelle fixe Platzzuweisung warf man kurzerhand genauso über Bord wie den strengen Dresscode. Krawatten braucht man gar nicht mehr mitzunehmen.

Egal, welches der fünf Restaurants man wählt, auf der Europa wird Spitzenküche serviert. Sternekoch Michael Hoffmann kreiert Gourmetfreuden für alle Geschmäcker. Und das nicht nur für die MS Europa, sondern für alle Schiffe der Hapag-Lloyd. Im großen Europa-Restaurant gibt es à la carte Klassiker wie Filetsteaks oder Schnitzel. Das Lido-Buffet lockt mit einer weitläufigen Terrasse am Heck und bietet täglich in der Früh, zu Mittag und abends Feinschmeckerbuffets auf hohem Niveau. Hier ist der Dresscode am lockersten. Nicht einmal mehr ein Sakko ist notwendig. Mit Reservierung wartet das Venezia mit italienischer Kost auf. Im Pearls dreht sich alles um Kaviar. Nur für ein Restaurant zeichnet Hoffmann nicht verantwortlich. Im The Globe (ebenfalls re­­servie­rungs­pflichtig) komponiert Dreisternekoch Kevin Fehling aus Hamburg eine exzellente acht­gängige Gaumensymphonie.

Und dann kam Covid

Kaum waren der Refresh und das neue Konzept der Europa umgesetzt, beförderte die Coronapandemie den Kreuzfahrtboom schlagartig ins Trockendock. Gabi Haupt, die Produktmanagerin der Europa, erzählt von den Tagen nach dem weltweiten Ausbruch, als wäre es gestern passiert. „Plötzlich schlossen innerhalb weniger Tage nach der Reihe die Häfen. Die Europa war damals in Hawaii, konnte aber San Francisco nicht mehr anlaufen. Wir mussten das Schiff nach Puerto Vallarta umleiten und unsere Gäste mit drei Charterfliegern nach Hause bringen“, schildert sie. Haupt ist das Mastermind, die Grande Dame des Ausnahmeschiffs. Sie kennt jedes Detail, jeden Mitarbeiter, jede Ecke der Europa. Spaziert sie durch die Gänge, schütteln ihr die Gäste die Hand. Jeder kennt ihren Namen. Wenn sie über die Europa, ihr Baby, erzählt, leuchten ihre Augen.

Klein, aber fein

„Ihr Schiff“ ist auch die klare Antithese zu den boomende Klubschiffen mit ihren gigantischen Ausmaßen. Die Europa ist klein. Das fällt besonders dann auf, wenn sie im Hafen neben einem der mächtigen All-inclusive-Dampfer liegt. Daneben sieht sie fast wie ein Boot aus. (Hoffentlich liest das die Crew nicht.) Boot darf man nicht sagen, natürlich ist sie ein Schiff, eben ein kleines. Die Europa ist gerade einmal 200 Meter lang und bietet auf ihren elf Decks Platz für maximal 400 Passagiere und fast 300 Crew-Mitglieder.

Aber genau diese Kleinheit und Überschaubarkeit macht die Europa aus. Man findet sich schnell zurecht. Das deutsche Schiff prägt eine familiäre Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. So gut wie alle, ob Passagiere oder Crew, haben ein Lächeln im Gesicht, wenn man sich grüßt. So wie man in Österreich am Berg immer grüßt, grüßt man auch auf dem Schiff, die Bordsprache ist Deutsch. Wie familiär es zugeht, zeigt sich schon am ersten Tag unserer neuntägigen Reise entlang der US-Ostküste. Am Abend sitzt der Kapitän gelassen in der kleinen Bar auf dem oberen Achterdeck und plaudert angeregt mit einem der Gäste. Vermutlich ein Stammgast. Das gibt es auf einem Cunard-Schiff eher nicht und schon gar nicht auf einem Halligalli-Kreuzer. Bemerkenswert ist auch, dass sich das Servicepersonal die Lieblingsgetränke und Namen der Gäste schon nach dem ersten Mal Bestellen merkt. Wie machen die das bloß?

Später erklärt uns Kapitän Jörg Berendsen auf der Brücke einen weiteren Vorteil eines kleineren Schiffs. „Wir können durch den geringeren Tiefgang ganz andere Ziele ansteuern. Etwa kleinere Häfen an der Westküste Irlands.“ Auch an die Inseln in der Südsee komme die Europa viel näher heran als andere. „Dann können wir mit unseren Zodiacs die Gäste direkt an den Strand ohne Anlegesteg bringen und dort ein Barbecue aufbauen“, erklärt er. Zodiacs sind kleine, schnelle Festrumpfschlauchboote mit so gut wie keinem Tiefgang – kein Standard auf einem Kreuzfahrtschiff.

Mit Zodiacs kann die Europa ihre Gäste direkt an den Strand bringen.
Mit Zodiacs kann die Europa ihre Gäste direkt an den Strand bringen.Hapag-Lloyd

So schafft es die MS Europa, ihren Kunden immer wieder neue, interessante Destinationen anzubieten, die es im ­Kreuz­fahrt­kalender von Klubschiffen in der Regel nicht gibt. Jedes Jahr denken sich Gabi Haupt und ihr Team neue Anlaufstellen aus, um vor allem dem Stammpublikum etwas Neues zu bieten.

Herbstlicher Charme der US-Ostküste

Bestes Beispiel dafür ist das verschlafene Hafenstädtchen Provincetown im US-Bundesstaat Massachusetts. Die Europa kann dort weit in die Bucht von Cape Cod einfahren und bringt ihre Gäste mit Tenderbooten an Land. Der malerische Künstlerort mit seinen kleinen pastellfarbenen Holzhäusern und ewig langen Sandstränden lädt im Herbst nach der Hauptsaison zu einem ausgedehnten Spaziergang ein. Oder man bucht eine Walbeobachtungstour.

Im Bayside Betsy‘s in Provincetown
Im Bayside Betsy‘s in Provincetownmare

Eine Tagesreise weiter geht es in Newport auf Besichtigungstour der riesigen Villen aus dem „Gilded Age“. Zwischen 1870 und 1910 verewigten sich die vermögenden Amerikaner wie die Vanderbilts mit Schlössern und Villen nach europäischem Vorbild. Nur wer die ausgefallensten und teuersten Partys zu feiern wusste, gehörte zur High Society in Newport.

Villen aus dem „Gilded Age“ in Newport
Villen aus dem „Gilded Age“ in Newportmare

Welcome to NYC

Höhepunkt der Reise ist New York. Wir haben Glück und die Europa läuft bei Tag und bestem Wetter in den Hafen ein. Vorbei an der Freiheitsstatue an Backbord und dem neuen World Trade Center an Steuerbord. Das ist ihr seit Indienststellung bisher nicht gelungen. New York selbst ist klarerweise ein Mehrtagesprogramm. Daher liegt das Schiff dort auch länger am Pier, nur ein paar Blocks vom Times Square entfernt. Um so viel wie möglich von New York in kurzer Zeit zu sehen, empfiehlt sich ein Guide. Unserer hieß Günter Maislinger (NewYork5000.com). 1978 aus Salzburg nach Amerika ausgewandert, kennt er den Big Apple nach mehr als vierzig Jahren in- und auswendig und auch so gut wie jedes Lokal in der Stadt, die tatsächlich niemals schläft. Wer amerikanische Küche in geballter Ladung und all ihren Facetten auf einem Fleck erleben will, dem sei ein Besuch im Time Out Market empfohlen. Dort gibt es von den berühmten Bagels bis zum original American Hot Dog (viel besser als an den Straßenständen) alles, was die US-Küche aufzuwarten hat. Pizza allerdings sollte man im Roberta’s probieren. Katz’s Deli ist natürlich auch einen Besuch wert. Dazu sollte man sich aber Zeit nehmen, denn die Schlange vor dem Kultlokal ist ziemlich lang. Wobei, Maislinger hat da so seine Kontakte. So ließe sich die Liste endlos fortsetzen.

Eine Reise mit der Europa ist eine Genusstour auf allen Ebenen: kulinarisch, kulturell, körperlich und seelisch. Kein Wunder, dass sie so viele Stammgäste hat. Schade ist nur, dass die meisten Routen länger als eine Woche dauern. Das macht es Berufstätigen nicht leicht. Gabi Haupt fällt hier bestimmt noch etwas ein.

Entlang der US-Ostküste

Flug: Ab Wien via London nach Halifax, New York Direktflug nach Wien.

Reiseroute: Halifax (Kanada) – Tag auf See ­– Portland (USA) – Boston – Provincetown – Newport – New York

Verpflegung: Vollpension in verschiedenen Restaurants. Kaltgetränke kosten extra, Heißgetränke und Minibar im Zimmer sind inkludiert.

Ausflüge: Umfangreiches Programm, vor Reisebeginn bei Hapag oder direkt an Bord buchbar.

Infos: www.hl-cruises.de

Compliance: Diese Reise erfolgte auf Einladung der Hapag-Lloyd-Reederei.

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