Nahost

Ein Schock für Frankreichs Juden: Frau bei Angriff verletzt

Die Davidsterne an diesen Häusern in Paris wurden mittlerweile wieder entfernt. Doch das Misstrauen sitzt tief.
Die Davidsterne an diesen Häusern in Paris wurden mittlerweile wieder entfernt. Doch das Misstrauen sitzt tief.Imago / Urman Lionel/abaca
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Seit dem Hamas-Überfall auf Israel steigt die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Frankreich. Hauswände werden beschmiert. Nun sorgt eine mutmaßlich antisemitisch motivierte Gewalttat gegen eine Jüdin in Lyon für Aufsehen. Die jüdische Gemeinde fühlt sich im Stich gelassen.

In den letzten Wochen standen antisemitischer Vandalismus und Bombendrohungen in Frankreich beinahe auf der Tagesordnung. Am Samstag ist eine Frau jüdischen Glaubens mit einer Stichwaffe verletzt worden. Die Hintergründe sind noch unklar, die Tat könnte aber „aus einem antisemitischen Motiv heraus begangen worden sein“, teilte die Staatsanwaltschaft in Lyon, der drittgrößten Stadt Frankreichs, am Samstag mit. Wie aus Polizeikreisen verlautete, ereignete sich die Tat zu Mittag. Nach Angaben des Opfers habe jemand an der Tür geklingelt. Als die junge Frau öffnete, habe ihr ein teilweise maskierter Mensch zwei Messerstiche versetzt. Anschließend sei der Täter geflohen. Auf die Wohnungstür sei ein Hakenkreuz gesprüht worden.

„Eine solche Gewalttat ist undenkbar. Ich biete dem Opfer und seinen Angehörigen meine ganze Unterstützung an“, sagte Lyons Bürgermeister Gregory Doucet auf der Social-Media-Plattform X.

Unmittelbare Gewalt gegen Jüdinnen und Juden würde eine neue Dimension des Antisemitismus in Frankreich darstellen. Von einem doppelten oder vielleicht sogar dreifachen Schock in den letzten Wochen spricht der frühere Vorsitzende des Repräsentativen Rates der jüdischen Institutionen (CRIF), Richard Prasquier. „Der Schock waren natürlich die abscheulichen Verbrechen der Hamas in Israel, danach aber auch die Tatsache, dass ein Teil der französischen Bevölkerung sich davon offenbar sehr wenig betroffen fühlte und Israel und die Hamas auf die gleiche Stufe stellt“, bedauert der 78-jährige frühere Arzt. Hinzu komme eine für ihn erschreckende Gleichgültigkeit angesichts der Vervielfachung antisemitischer Äußerungen und Drohungen in den sozialen Netzwerken. Das war für ihn ein zusätzlicher, dritter Schock.

Frankreichs Juden fühlen sich allein gelassen

„Wir fühlen uns sehr allein“, sagt auch Michel Serfaty, der Rabbiner des Pariser Vororts Ris-Orangis, der Zeitung Le Parisien. Die jüdische Gemeinde fühlt sich im Stich gelassen. „Wo bleiben die großen Solidaritätskundgebungen?“, fragt er. Seit dem 7. Oktober haben die antisemitischen Aggressionen und Bedrohungen in Frankreich, wo die größte jüdische Gemeinde Europas lebt, sprunghaft zugenommen. Der Innenminister Gérald Darmanin sprach zuletzt von mehr als 800 registrierten Vorfällen, der Justizminister informiert, dass mehr als 400 Personen festgenommen und mehrere bereits gerichtlich verurteilt worden sind.

Mehrere jüdische Schulen in der Hauptstadtregion haben per E-Mail Bombendrohungen erhalten, die mit dem Pseudonym „Al-Qaïda bomb“ unterzeichnet waren. Drei Schulen mussten deswegen vorübergehend evakuiert werden. Auf einer Mauer des Sportstadions von Carcassonne in Südfrankreich wurde gleich nach dem 7. Oktober geschmiert: „Tuer les Juifs est un devoir“ (Juden töten ist Pflicht). Die Fassaden von jüdischen Geschäften wurden ebenfalls von antisemitischen Sprayern beschmiert.

Davidsterne an Häusern

Zuletzt sind nicht nur in nördlichen Vorstädten, sondern auch in Paris im 14. Arrondissement Davidsterne an Häusern mit jüdischen Bewohnern aufgetaucht. Es wurde dazu offensichtlich dieselbe Schablone und dieselbe blaue Farbe verwendet. Sollen damit wie schon in Nazi-Deutschland Opfer gekennzeichnet werden?

„Es sind nicht die Muslime, die auf die Juden spucken, sondern die Islamisten“, sagt der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti. „Man kann für die palästinensische Sache und einen palästinensischen Staat eintreten. Aber es ist nicht hinzunehmen, dass die wachsende Abschottung in Gemeinschaften in unserem Land diesen Antisemitismus fördert.“

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