Literaturwissenschaft

In der Literatur hat uns die Apokalypse längst eingeholt

Ein neues Literaturgenre lotet aus, was passiert, wenn das Ende unserer Welt schneller da ist als die Zukunft.
Ein neues Literaturgenre lotet aus, was passiert, wenn das Ende unserer Welt schneller da ist als die Zukunft.Sebastien Bozon/AFP via Getty Images
  • Drucken

Anglistinnen und Anglisten zeigen: Romane können trotz – oder vielmehr wegen – ihrer Fiktionalität ein Schlüsselelement von Klimawandel­bildung und Klimaschutz sein.

„Damals, als die Tiere verschwanden, wirklich und wahrhaftig verschwanden, nicht nur als Warnung vor einer düsteren Zukunft, sondern jetzt, jetzt und hier, beschloss ich, einem Vogel übers Meer zu folgen.“ Ich, das ist Franny Stone, eine Ornithologin, keine real existierende, eine erdachte. Sie ist die Hauptfigur im Roman „Zugvögel“ der australischen Autorin Charlotte McConaghy. Diese lässt ihre Heldin den letzten Küstenseeschwalben aus Grönland bis in die Antarktis folgen, eine Reise, die Stone ebenso in die eigene Vergangenheit führt.

Der 2020 erschienene Roman, den die „New York Times“ eine „kluge Neuinterpretation von ,Moby Dick‘“ nennt, ist Vertreter ­eines neuen literarischen Genres, das sich in den vergangenen zwei, drei Jahren herausgebildet hat. Es unterscheidet sich deutlich von klassischer „Climate Fiction“ (Cli-Fi), wie die Anglistin Julia Hoydis von der Uni Klagenfurt betont. „Die Krise kommt darin immer näher. Früher hatten wir es in der Literatur mit sehr spekulativen Szenarien zu tun, die meist weit in der Zukunft lagen, in der eine neue Eiszeit anbricht oder New York überflutet wird, also klare Science-Fiction-Texte.“

Zu den Cli-Fi-Klassikern zählen „Paradiese der Sonne“ von J. G. Ballard (1962), Octavia Butlers „Die Parabel vom Sämann“ (1993), „Ein Freund der Erde“ von T. C. Boyle (2000), die „MaddAddam“-Trilogie von Margaret Atwood (2003–2013) und „Die Mauer“ von John Lanchester (2019). Es handelt sich um Texte, denen die Intention zugrunde liegt (oder denen eine solche zugesprochen wird), ihre Leserinnen und Leser dazu anzuregen, über den menschgemachten Klimawandel nachzudenken oder sogar ihr Verständnis davon neu zu bewerten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.