Gipfel in Riad

Islamischer Schulterschluss gegen Israel

Der türkische Präsident Erdoğan (links neben Prinz Sultan Bin Abdul Aziz Al Saud) sprach in Riad Israels geheimes Atomarsenal an.
Der türkische Präsident Erdoğan (links neben Prinz Sultan Bin Abdul Aziz Al Saud) sprach in Riad Israels geheimes Atomarsenal an.Reuters
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Auf dem Gipfel arabischer und mehrheitlich moslemischer Staaten in Saudiarabien gab es am Samstag eine einhellige Schelte Israels samt Boykottaufrufen. Der iranisch-arabische Gegensatz scheint aufgeweicht, die Türkei forderte gar Unerhörtes von Israel.

Während die israelischen Streitkräfte am Samstag den Bewohnern im Norden des umkämpften Gazastreifens erneut zwei sichere Fluchtkorridore Richtung Süden geöffnet und dafür eine insgesamt siebenstündige „taktische Pause“ der Kämpfe ausgerufen hatten, fand in der saudischen Hauptstadt Riad ein womöglich folgenreiches Gipfeltreffen islamischer Staaten statt. Dabei forderte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas internationalen Schutz für die Bevölkerung Gazas (rund 2,3 Millionen) und sagte, ihr stehe „ein beispielloser völkermordender Krieg“ bevor, weshalb die USA Israel stoppen sollten.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi forderte einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der Vertreibung von Zivilisten, einen unabhängigen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt.

Der türkische Staatschef, Recep Tayyip Erdoğan, befand, es sei die Einberufung einer großen internationalen Konferenz zur endgültigen Lösung der Palästina-Frage und Gründung eines Palästinenserstaates geboten. Derzeit nehme Israel wegen des Hamas-Angriffs von 7. Oktober „Rache an Babys, Kindern und Frauen in Gaza“.

Die Türkei als Hamas-Höhle

Die Beziehungen der Türkei zu Israel haben sich schon vor längerer Zeit wieder verschlechtert; heikel ist, dass die Türkei Hamas-Leuten Unterschlupf gewährt, wiewohl diese Gaza kontrollierende Islamisten-Organisation in vielen Staaten als Terrorgruppe gilt. In Riad sagte Erdoğan auch, dass die Hamas, die „ihre Heimat“ verteidige, nicht in dieselbe Kategorie wie die Besetzer falle, also Israel. Und: Israel müsse sein geheimes Nukleararsenal der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und der Welt offenbaren.

Kürzlich hatte Israels Minister fürs „Heimaterbe“, Amihay Eliyahu, gesagt, man könnte eine Atombombe auf Gaza werfen oder die Palästinenser „nach Irland deportieren“. Das brachte dem Rechtsextremen viel Kritik, auch aus der eigenen Regierung sowie aus Dublin ein. Dass Israel Kernwaffen hat, vermutlich 80 bis 400, ist spätestens seit Beginn der 1970er ein offenes Geheimnis, doch sprechen israelische Politiker und Militärs nie darüber. In der Frühphase des Jom-Kippur-Kriegs im Oktober 1973 wurde zahlreichen Berichten und Aussagen zufolge angesichts der ersten Erfolge der Ägypter und Syrer ein Atomschlag Israels vorbereitet.

Irans Präsident Ebrahim Raisi (li.) und Syriens Staatschef Bashar al-Assad in Riad.
Irans Präsident Ebrahim Raisi (li.) und Syriens Staatschef Bashar al-Assad in Riad. AFP

Die Konferenz in Saudiarabien war von Riad als „Reaktion auf die Umstände im Gazastreifen“ punziert worden und verband zwei andere Gipfel, nämlich jenen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit und den der Arabischen Liga. Letztere hat 22 Mitglieder, erstere sogar 56, darunter etwa auch Malaysia, Indonesien, Nigeria.

Syriens Präsident Bashar al-Assad, in der arabischen Welt trotz des Bürgerkriegs rehabilitiert, forderte einen Stopp jedes politischen Prozesses mit Israel sowie Sanktionen. Damit bezog er sich vor allem auf die Ausgleiche und Annäherungen arabischer Länder mit Israel in den vergangenen Jahren, etwa seitens der Vereinigten Arabischen Emirate, Bahreins und Saudiarabiens.

Wohin flossen Katars Milliarden?

Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, betonte die Bemühungen seines Landes, eine Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln zu erreichen. Bisher wurden mehrere Geiseln nach katarischer Vermittlung freigelassen. Katar hat in Gaza eine zwielichtige Rolle, da es dort bisher als Investor aufgetreten war. Viele Beobachter weisen darauf hin, dass mehrere Milliarden Dollar, die aus Katar für angeblich zivile Projekte flossen, offenbar großteils in Hamas-Kassen flossen und deren Aufrüstung und Besoldung sicherten.

Besondere Aufmerksamkeit galt in Riad dem Iran: Dessen Präsident, Ebrahim Raisi, rief die muslimischen Länder zu totalen Wirtschaftssanktionen gegen Israel nicht zuletzt im Ölbereich auf. „Es gibt keinen anderen Weg, als sich Israel zu widersetzen“, sagte er. Die Hamas lobte er in blumigen Worten: „Wir küssen der Hamas die Hände für ihren Widerstand gegen Israel.“

Das sunnitische Saudiarabien und der mehrheitlich schiitische Iran unterhielten in den vergangenen sieben Jahren keine diplomatischen Beziehungen und trugen ihre Rivalität in diversen Stellvertreterkonflikten in der Region aus, etwa in Syrien und im Jemen.

Irans subtile Zurückhaltung

Der Iran hat sich bisher nicht offen in den Gaza-Krieg eingeschaltet und hält offenbar auch die alliierte Hisbollah-Miliz im Libanon diesbezüglich an der kurzen Leine. Allerdings schürt der Iran offenbar im Hintergrund. Beobachter meinen, dass für Irans Führung die Zeit für einen Generalkrieg mit Israel noch nicht reif sei, dass die Hisbollah eher als Defensivwaffe im Falle israelischer/amerikanische Angriffe auf den Iran agieren solle und es Teheran daher bei den aktuell durch die Hamas ausgelösten „Bränden“ belassen wird.

Palästinenser auf der Flucht in Gaza Richtung ägyptischer Grenze.
Palästinenser auf der Flucht in Gaza Richtung ägyptischer Grenze.Reuters

In Gaza kam es im Bereich mehrerer Krankenhäuser offenbar zu schweren Kämpfen. Solche Einrichtungen werden von der Hamas auch als „Schutzschild“ genutzt. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Äthiopier Thedros Adhanom Ghebreyesus, sagte am Samstag, dass aktuell in Gaza im Schnitt alle zehn Minuten ein Kind wegen der Kämpfe sterbe. Seit 7. Oktober sollen dort mehr als 11.000 Menschen gestorben sein; die Zahlen stammen freilich primär von der Hamas und sind zweifelhaft.

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