Wie und wann werden die Notenbanken die Leitzinsen wieder senken?

Fed-Chef Jerome Powell steht wie andere Zentralbankenchefs vor heiklen Entscheidungen.
Fed-Chef Jerome Powell steht wie andere Zentralbankenchefs vor heiklen Entscheidungen.Chip Somodevilla/Getty Images
  • Drucken

Banken geben interessante, aber sehr un­ter­schied­liche Prognosen für die USA ab. Und für die Eurozone werden Experten einer Umfrage zufolge gerade optimistischer.

New York/Frankfurt. Nach dem langen Zyklus von Zinserhöhungen greift die Hoffnung auf Zinssenkungen immer mehr um sich. Allein, darüber, wann sie starten und wie stark sie ausfallen, sind Experten uneins. Was die US-Notenbank Fed betrifft, so demonstrieren gerade zwei US-Großbanken mit ihren neuen Prognosen deutliche Uneinigkeit darüber. Ökonomen von Morgan Stanley prognostizieren, dass die Fed in den nächsten zwei Jahren angesichts der nachlassenden Inflation deutliche Zinssenkungen vornehmen wird. Goldman-Sachs-Analysten hingegen erwarten eine geringere Lockerung und einen späteren Beginn.

Die US-Zentralbank wird im Juni 2024 mit Zinssenkungen beginnen, dann wieder im September senken und bei jeder Sitzung ab dem vierten Quartal jeweils in Schritten von 25 Basispunkten. Dies prognostizieren die Ökonomen von Morgan Stanley unter der Leitung von Ellen Zentner, Chefvolkswirtin für die USA, in ihrem Ausblick für 2024. Bis Ende 2025 würde der Leitzins demnach auf 2,375 Prozent sinken.

Goldman Sachs sieht laut Ökonom David Mericle die erste Senkung um 25 Basispunkte im vierten Quartal 2024, gefolgt von einer Senkung pro Quartal bis Mitte 2026 – insgesamt 175 Basispunkte. Die Zinsen werden sich danach in einem Zielbereich von 3,5 Prozent bis 3,75 Prozent einpendeln.

Was sagt die Fed selbst?

Die Prognosen von Goldman Sachs liegen näher an denen der Fed. Die Fed-Projektionen vom September zeigen zwei Zinssenkungen um jeweils einen Viertelpunkt im nächsten Jahr und einen Leitzins von 3,9 Prozent im Jahr 2025. Die Gouverneure der Fed und die Präsidenten der regionalen Notenbanken werden ihre Prognosen auf der Sitzung im nächsten Monat aktualisieren.

Morgan Stanley sieht eine schwächere Wirtschaft, die ein größeres Ausmaß an Lockerung rechtfertigt, aber keine Rezession. Die Bank erwartet, dass die Arbeitslosigkeit im Jahr 2025 einen Höchststand von 4,3 Prozent erreichen wird, während die Fed von 4,1 Prozent ausgeht. Auch das Wachstum und die Inflation werden sich langsamer entwickeln als von der Fed erwartet.

„Längerfristig hohe Zinsen führen zu einer anhaltenden Belastung, die den fiskalischen Impuls mehr als aufhebt und das Wachstum ab dem dritten Quartal 24 nachhaltig unter das Potenzialniveau drückt“, so Zentners Gruppe in ihrem Bericht. „Wir bleiben bei unserer Ansicht, dass die Fed eine weiche Landung erreichen wird, aber das schwächere Wachstum wird die Rezessionsängste am Leben erhalten.“

Abschwung vermeiden

Die USA dürften einen Abschwung vermeiden, da die Arbeitgeber an ihren Mitarbeitern festhalten, auch wenn sich die Neueinstellungen verlangsamen werden, so Morgan Stanley. Dies werde sich auf das verfügbare Einkommen und damit auf die Ausgaben auswirken.

Goldman Sachs meint, dass die Fed die Zinsen aufgrund eines höheren Gleichgewichtszinses relativ hoch halten wird, da „der Gegenwind nach der Finanzkrise vorbei ist“, größere Haushaltsdefizite wahrscheinlich anhalten und die Nachfrage ankurbeln werden.

Optimismus für die Eurozone

Aber nicht nur hinsichtlich der USA kommen neue Prognosen zu Zinssenkungen auf den Markt, sondern auch hinsichtlich der Eurozone, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer jüngsten Ratssitzung im Oktober die Zinssätze zum ersten Mal seit Beginn ihrer Straffungskampagne Mitte 2022 unverändert gelassen hat. Von Bloomberg befragte Ökonomen, so die Nachrichtenagentur am Montag, rechnen nun mit einer ersten Leitzinssenkung durch die EZB bereits im Juni 2024, während sie zuvor noch auf den September getippt hatten. Der gesteigerte Optimismus rührt daher, dass sie für Anfang 2025 ein Absinken der Inflation unter das Ziel von zwei Prozent erwarten. Damit würde das Ziel früher erreicht als von der EZB prognostiziert.

Die Teuerungsrate wird der Umfrage zufolge im ersten Quartal 2025 mit durchschnittlich 1,9 Prozent erwartet – ein Rückgang gegenüber der letzten Umfrage, bei der noch 2,2 Prozent genannt wurde. Die hauseigene Stabsprojektion der EZB sieht das Erreichen des Ziels erst in der zweiten Jahreshälfte 2025. Freilich erwarten die Ökonomen weiter eine Kerninflation, die über der Gesamtinflation liegt.

Schwierige „letzte Meile“

Im Oktober hat sich die Inflation auf 2,9 Prozent verlangsamt und lag niedriger als von Ökonomen geschätzt. Die EZB hat dennoch vor einer schwierigen „letzten Meile” zurück zur Preisstabilität gewarnt, da die staatlichen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung zurückgenommen werden und die Löhne steigen. Auch der Nahost-Konflikt sei ein Unsicherheitsfaktor. Die Inflation im Euroraum könnte trotz der straffen Zinspolitik in den kommenden Monaten zeitweise erneut zulegen, warnte daher EZB-Vize Luis de Guindos am Montag auf einer Konferenz. Dabei spielten auch Basiseffekte eine Rolle, denn der starke Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise vom Herbst 2022 falle nun aus den Berechnungen heraus. „Aber wir gehen davon aus, dass der generelle Prozess der Disinflation mittelfristig anhalten wird.“ (Bloomberg/Reuters/est)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.