Treibhausgase

Klima: Das Paris-Ziel ist im Grunde erreichbar, aber …

Brandrodung im Amazonas und andere Zerstörung der Wälder müssen in deutlich höherem Tempo abnehmen als bisher.
Brandrodung im Amazonas und andere Zerstörung der Wälder müssen in deutlich höherem Tempo abnehmen als bisher.Imago Images/Blickwinkel
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Der diesjährige „Climate Action Report“ kann Mut machen, aber auch Kopfschmerzen bereiten. Klar ist nur eine Botschaft des Berichts: Wenn die Klimakrise ernst genommen werden will, dann muss Tempo zugelegt werden. Ordentlich.

Es ist kein „Doomsday Report“, der Leser hoffnungslos zurücklässt. Aber der diesjährige „Climate Action Report“ ist auch keine Studie, die durchatmen lässt. Der Report, der vom World Resources Institute in Washington, D.C. koordiniert und von Dutzenden Autoren unterschiedlicher Expertise in unterschiedlichen Forschungsstätten erstellt worden ist, legt zwei Wochen vor dem Start der Klimakonferenz in Dubai alle relevanten Fakten auf den Tisch. In allen Bereichen geht es um zwei Fragen: Ist das Pariser Klimaziel noch erreichbar? Und wenn ja: mit welchem Aufwand?

In der Pariser Klimakonferenz wurde 2015 das Ziel formuliert, bis zum Ende des Jahrhunderts die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur „deutlich unter zwei Grad Celsius“ und möglichst bei maximal 1,5 Grad zu halten. Derzeit ist das globale Mittel um 1,1 Grad höher.

42 Sektoren, mehr als vier Fünftel der CO2-Last

Dieser Wert kommt nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Bewertungen: Temperaturerhöhungen über den genannten Werten bringen mit sich, dass das Klimageschehen aus dem Ruder zu laufen beginnt. Konkret kann das bedeuten, dass Kippeffekte und irreversible Veränderungen eintreten. 1,5 Grad dagegen heißt, dass die Folgen der Klimaänderung noch einigermaßen bewältigbar bleiben – was nicht gleichzusetzen ist mit einer (unrichtigen) Annahme, dass es keine merkbaren Folgen für Klima und Wetter hat. Im Gegenteil: Sie wird es geben, aber sie werden – gerade noch – im Bereich des Beherrschbaren angesiedelt sein.

Diese 1,5 bis zwei Grad bedeuten auch, dass Zwischenziele erreicht werden müssen, 2030 und 2050. Die Klimawissenschaftler haben dazu ein Treibhausgas-Budget errechnet und auf die Jahre verteilt. Dies deshalb, weil es für die Entwicklungen nicht gleichgültig ist, ob die Menschheit die Belastung langsam oder schneller einbremst. Je später der Peak der Emissionen erreicht wird, desto stärker sind die Auswirkungen aufs Klima. Auch deshalb müssen Überschreitungen in einem Sektor dann von Unterschreitung in anderen kompensiert werden. Der Bericht vergleicht die aktuellen Zahlen mit den Sektorzielen, die für das Jahr 2030 definiert sind.

Auf der Basis dessen haben die Wissenschaftler, die den Bericht zusammengestellt und geschrieben haben, die Treibhausgasverursacher 42 einzelnen Sektoren zugeordnet. Sie sind für etwa 85 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, die von Menschen hervorgerufen werden.

Von den 42 ist derzeit ein einziger auf jenem Kurs, der das Paris-Ziel erreichen ließe. Konkret ist die Entwicklung der Zahl der Elektroautos in jener Größenordnung, die notwendig ist, um die 1,5 Grad nicht zu überschreiten. Allerdings: Ein Elektroauto, dessen Strom aus fossiler Energie stammt, macht den Umstand, dass der Kauf von E-Autos boomt, wieder wertlos.

Bei sechs Sektoren geht es in die falsche Richtung

Bei fünf Sektoren existiert ein grobes Datendefizit, sodass der Stand der Dinge derzeit seriös nicht beurteilt werden kann. In sechs Bereichen fährt der Zug eindeutig in die falsche Richtung. Dies betrifft die Abholzung der Mangroven-Wälder, die Stahlproduktion, das Ausmaß der Pkw-Nutzung, die Zahl der Busse mit umweltfreundlichen Antrieben, die Menge des Verlusts von Lebensmitteln und die Stützung fossiler Energie durch den Finanzsektor.

In den verbleibenden Bereichen weisen die Entwicklungen in die richtige Richtung. Diese Züge sind allerdings bei sechs Themen „zu langsam“ und bei 24 weiteren „viel zu langsam“ unterwegs. In diese Gruppe fällt etwa die Abholzung von Wäldern, die 2022 eine Fläche ausmacht, die der Größe Kroatiens entspricht. Oder die Zahl der Kilometer, die es pro Einwohner an Radwegen gibt, und die CO2-Intensität bei der Elektrizitätsproduktion. In den zwei letzteren Fällen müsse sich das Tempo der Entwicklung verzehnfachen, um auf Paris-Kurs zu gelangen.

Die Verringerung der Abholzung muss viermal schneller voranschreiten, der Umstieg auf einen gesünderen und klimaschonenderen Speiseplan muss achtmal schneller vonstatten gehen. Die Fläche von Solar- und Fotovoltaik-Zellen sowie die Zahl von Windkraftwerken muss nicht um 14 Prozent (wie bisher) steigen, sondern um 24 Prozent.

Rechnerisch ist Paris noch erreichbar, allerdings nur, wenn in allen Bereich ordentlich an Tempo zugelegt wird.

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