Die Ich-Pleite

Dank dem Finder

Carolina Frank
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Heute möchte ich mich bei Ihnen, dem unbekannten Menschen, der meine Geldtasche in die Fundbox geworfen hat, bedanken.

Können Sie sich erinnern? Es war ein nasskalter Tag zu Beginn der Herbstferien. Sie sind auf der Leopoldsgasse spaziert und haben vermutlich gesehen, wie einer hektisch dahinradelnden Person mit zerzausten Haaren eine braune Geldtasche aus dem Radkorb fällt. Vielleicht haben Sie sich noch gedacht: Wie kann man nur seine Geldtasche ganz oben in die Einkaufstasche legen! Wahrscheinlich ist sie zu spät irgendwohin unterwegs. Zum ­Friseur vielleicht. Und recht hätten Sie gehabt. Möglicherweise waren Sie sogar einen Moment lang versucht, das Bargeld herauszunehmen, damit ich es mir fürs nächste Mal merke. Und trotzdem wäre ich Ihnen unendlich dankbar gewesen! Schon wegen all der Karten!

Natürlich bin ich dann statt zum Friseur zur Polizei gegangen. Die Beamtin dort hat mir aber erklärt, dass sie a) nicht zuständig sei und b) die Fundbox nur einmal wöchentlich geleert werde. Es war Freitagabend, und keine Bank hatte mehr offen, der man vielleicht mit Verzweifelt-Schauen ein bisschen Bargeld ­entlocken hätte können. Alle Freundinnen waren in den Herbstferien. Und ich war allein daheim mit Tiefkühlessen und Netflix. Mehr braucht man nicht für einen ausgewachsenen Blues. Aber nach einer Woche fand ich es eigentlich schon ganz gemütlich. Man steht jeden Tag später auf und geht früher ins Bett. Und dazwischen lässt man sich aber auch nicht hetzen. So wird es den Beamten beim Fundamt wahrscheinlich immer gehen. Denn eine Woche nachdem ich dort meine verlorene Geldtasche abgeholt habe, haben sie mir geschrieben, dass ich meine Geldtasche jetzt abholen könne. (Die Presse Schaufenster, 17.11.2023)

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