Kommentar

Wolfgang Sobotka: Der untragbare Präsident

Wolfgang Sobotka
Wolfgang SobotkaAPA / Eva Manhart
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Wolfgang Sobotka soll versucht haben, Justizverfahren zu beeinflussen. Das wird sich juristisch nicht mehr klären lassen, politisch ist der Nationalratspräsident aber angeschlagen.

Wird Wolfgang Sobotka nun Vorsitzender des Wolfgang-Sobotka-Untersuchungsausschusses und die parlamentarischen Untersuchungen gegen Wolfgang Sobotka in gewohnter Manier „unparteiisch“ leiten? So absurd das auch klingen mag, das Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich. Den U-Ausschuss könnte es geben und der Nationalratspräsident hatte auch bisher schon keine Skrupel, wenn es um persönliche Befangenheit in U-Ausschüssen ging. Einen U-Ausschuss leitet laut Geschäftsordnung der Präsident, der diese Aufgabe nur freiwillig anderen übertragen kann.

Die wesentliche Frage lautet aber: Ist Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsident noch tragbar. Zweifel daran gab es vom ersten Tag an, als der Politiker, der davor noch keinen einzigen Tag als Abgeordneter im Nationalrat saß, sofort das Amt des Präsidenten bekam. Sobotka ist ein kluger Politiker: Er versuchte sofort gegenzusteuern, bemühte sich um das Image des „Elder Statesman“, hielt sich weitgehend an die parlamentarischen Usancen und engagierte sich gegen Antisemitismus. Das funktionierte bis zu einem gewissen Grad, denn Sobotka sticht durchaus hervor aus der Politikerriege: Er ist gebildet, hat Persönlichkeit, er gehört nicht zu denen, die nur Phrasen dreschen und billige Polemik von sich geben können.

Aber es gibt auch die andere Seite des Wolfgang Sobotka: Er ist ein Politiker, der in der niederösterreichischen ÖVP groß geworden ist und dort das System der Machtpolitik und des Machterhalts gelernt und perfektioniert hat. Das kann man versuchen, zu verstecken, es schimmert aber immer wieder durch. Oder bricht mit aller Kraft hervor – etwa als er den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss gekonnt ins Leere laufen ließ.

Ein Nationalratspräsident kann nicht abgelöst werden, sondern nur von sich aus zurücktreten. Aufforderungen dazu gab es schon des Öfteren. Manche davon waren nicht ganz ernst zu nehmen und entsprangen eher den Ritualen des oppositionellen Aktivismus. Diesmal dürften die Dinge aber anders liegen. Laut den nun aufgetauchten Tonbandaufzeichnungen sagt der inzwischen verstorbene frühere Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek, Sobotka habe von ihm verlangt, in Ermittlungsverfahren zugunsten der ÖVP einzugreifen. Pilnacek wurde vorgeworfen, parteiisch zugunsten der ÖVP agiert zu haben. In einer Wirtshausplauderei verteidigt er sich also damit, dass die ÖVP und da speziell Sobotka noch wesentlich mehr von ihm wollte, was er abgelehnt habe.

Wenn das stimmt, ist Sobotka als Nationalratspräsident tatsächlich untragbar. Ob es stimmt, wird man juristisch wohl nicht mehr klären können. Pilnacek kann man nicht mehr befragen, Sachbeweise wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben. Aber es gibt ein hohe Plausibilität, dass das Gesagte auch so stimmt. Warum hätte Pilnacek das in diesem Gesprächssetting erfinden sollen?

Juristisch gilt für Sobotka selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Politisch ist es aber untragbar, einen Nationalratspräsidenten zu haben, der möglicherweise Justizverfahren beeinflussen wollte. Das sollte auch die ÖVP veranlassen, ihren Präsidenten zum Rückzug zu bewegen. Zumindest sollte die Volkspartei aber überlegen, ob es sinnvoll ist, mit einem angeschlagenen Präsidenten in einen ohnehin schon schwierigen Wahlkampf zu gehen.

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