Im Kino

„The Old Oak“: Das letzte Abendmahl des alten Linken Ken Loach

Ein englisches Pub wird zur Ausspeisungsstelle für Abgehängte und Flüchtlinge. Mittendrin: Yara (Ebla Mari) mit ihrer Kamera.
Ein englisches Pub wird zur Ausspeisungsstelle für Abgehängte und Flüchtlinge. Mittendrin: Yara (Ebla Mari) mit ihrer Kamera.Sixteen Films Limited, Why Not Productions
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In „The Old Oak“, seinem vielleicht wirklich letzten Film, lässt der britische Meisterregisseur noch einmal den Geist der Utopie wehen. Gemeinsam sollen gute Briten und arme Asylsuchende stark werden.  

Eine der wirklich intensiven Szenen in Ken Loachs neuem Film spielt in einer Kirche: Die zwei Protagonisten von „The Old Oak“ – der alte Wirt des gleichnamigen Pubs und eine aus Syrien geflüchtete junge Frau – sind nach Durham gefahren, um Spenden für Bedürftige abzuholen. Nun sitzen sie in der Kathedrale, welche die Normannen vor fast 1000 Jahren zu bauen begonnen haben. Der Wirt namens TJ Ballantyne (Dave Turner) hat zuvor gesagt, dass er nicht an Gott oder ein Leben nach dem Tode glaube. Die Frau namens Yara (Ebla Mari) ist traurig darüber, dass sie den um noch 1000 Jahre älteren Tempel von Palmyra in ihrer Heimat nicht mehr sehen werde. Terroristen des Islamischen Staates haben ihn 2015 zerstört. Und was geschieht im Dom? Ein anglikanischer Chor beginnt zu singen. Das ergreift.

Es mag seltsam wirken: Ein einst bekennender Trotzkist, politisch noch immer extrem links positioniert und bösartig gegen ­Israel, der seit fast sechzig Jahren in seinen Filmen die Tradition des italienischen Neorealismus in kunstvoll simpler, britischer Art weiterführt, lässt in seinem wieder einmal zu seinem letzten erklärten Film (der Regisseur ist 87 Jahre alt) überraschend viel Transzendenz zu. Aber sein soziales Engagement und die christlichen Religionen haben etwas gemeinsam: In der Messe feiern die Teilnehmer vor dem Segen die „communio“. Und um das Gemeinsame geht es stets auch Loach, der Meisterwerke wie „Kes“ (1969) oder „The Wind that Shakes the Barley“ (2006) geschaffen hat. In „The Old Oak“ gibt es ernste Konflikte, den Zusammenprall von Kulturen, aber es wird völkerverbindend gegessen, getrauert und am Ende in Union marschiert. In der Masse tragen sie ein Banner mit: „Solidarity, Strength, Resistance“. Auch arabische Schrift ist darauf gestickt. Gemeinsam stark sein.

Die Abgehängten in England und die Entrechteten aus der Fremde marschieren zusammen: Ken Loach geht es immer auch um das Gemeinsame.
Die Abgehängten in England und die Entrechteten aus der Fremde marschieren zusammen: Ken Loach geht es immer auch um das Gemeinsame. Sixteen Films Limited, Why Not Productions

Vom Vater blieb nur die Kamera

Das erinnert an die Tage, als einst stolze Bergarbeitersiedlungen vor 40 Jahren gegen die konservativ-neoliberale Regierung unter Margaret Thatcher streikten. Im Film konnten die Bewohner dieses fiktives Ortes die Schließung ihrer Kohlemine nicht verhindern. Nun befinden wir uns im Jahre 2016, als sich das Volk für den Brexit entschied, den Ausstieg aus der EU. Neue alte Probleme hat das Land; hohe Arbeitslosigkeit im Nordosten Englands, die Menschen sind verarmt. Und nun kommen in Scharen Asylsuchende aus Nahost! Bei Loach ist es nur ein Bus voll mit Menschen, der im desolat wirkenden Ortszentrum hält. Aus ihm heraus fotografiert Yara. Man sieht das in Schwarz-Weiß. Aggressive Einheimische, beruhigende Helfer und verängstigte Fremde. Ein Gewaltbereiter nimmt der jungen Frau den Fotoapparat weg, er geht kaputt, als sie darum ringen. Da weiß man noch nicht, was diese Kamera Yara bedeutet. Sie war ein Geschenk des Vaters. Der sitzt im Gefängnis in Syrien oder ist vielleicht bereits tot. Nur seine Frau konnte mit den Kindern flüchten.

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