TV-Kritik

„Natürlich bin ich Feminist“: Gottschalks spätes Outing bei „Wetten, dass...?“

Rapperin Shirin David (li.), hier mit Helene Fischer, gab Gottschalk als einzige ordentlich Kontra bei seiner letzten Wetten-Dass-Moderation am Samstag.
Rapperin Shirin David (li.), hier mit Helene Fischer, gab Gottschalk als einzige ordentlich Kontra bei seiner letzten Wetten-Dass-Moderation am Samstag. Reuters / Wolfgang Rattay
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Nach 35 Jahren verabschiedete sich Thomas Gottschalk Samstagabend von der in die Jahre gekommenen Wohlfühl-Familien-Sendung. Mit einigen nahezu heraufbeschworenen politischen Inkorrektheiten, für die man sich weniger fremdschämte. Als sich seine eigene Couch schämte.

Die Gäste auf der berühmten weißen Malibu-Protz-Couch zu beobachten, wie sie sich gequält lächelnd durch die selbstverliebte Moderation hantelten, war interessanter als die meisten Wetten selbst. Der Begriff couchschämen muss dafür erfunden werden. Und trifft auch auf die Zuseher in den Wohnzimmern zu. Für eine mittlere Generation jedenfalls. Die älteren waren sentimental. Die jüngeren, sofern sie sich auf ein derartiges lineares Bildschirmereignis überhaupt noch einlassen, wohl eher verwundert. Was ist mit diesem älteren Herrn, der dauernd von sich selbst erzählte? Und nicht einmal Interesse mehr täuschend heuchelte, sich gewisse Namen seiner Gäste zu merken, geschweige denn eine gepflegte Erinnerung an sein eigenes Werk zu haben.

Höhepunkte dieser fast verstörend geringen Wertschätzung der eigenen Leistung war die letzte Wette, die auch Wettkönigin wurde: Julia erkannte vergangene Wetten an ihrer abstrahierten Bildfolge, so einer Art farblichem Strichcode, und setzte sich dafür mit Gottschalk vor ein historisches TV-Gerät. Sah aus wie Familienalbum anschauen mit einem narzisstischen Opi, der sich weniger für die Abgebildeten und die Szenen selbst erwärmen konnte, als seine eigenen Befindlichkeiten in diesen Momenten wieder abzurufen. Seien sie auch noch so nichtig. Wie ein Schiff, auf dem man nach Drehschluss in einem der Städtchen gegessen habe. Oder den Bandscheibenvorfall vor der Sendung auf Mallorca, wo er sich ein Zäpfchen einführen musste, das in der Hitze geschmolzen war und das er zum Pfeil geformt in den Tiefkühler legen musste, um seine Wirkung zu erhalten. Couchscham.

Warum er jetzt abtrete, daran ließ Gottschalk im Vorfeld und auch in der Abmoderation keinen Zweifel: Es sei nicht mehr seine Zeit. Er habe keine Lust, sich die Gäste erklären lassen zu müssen, die man ihm vorsetzt. Und keine Lust, dass ein Aufnahmeleiter vor ihm herumhüpfe, der ihm flüstert, dass er sich zusammenreißen solle, damit nicht der nächste Shitstorm drohe. Mittlerweile, so Gottschalk, spreche er zu Hause anders als im Fernsehen. Da rede er dort dann lieber gar nichts mehr.

Bei seiner letzten Sendung scheint er diese Grenze wieder zurückgenommen zu haben, hofft man zumindest. Man möchte sich nicht vorstellen, wie er sonst „zu Hause“ redet. So kommentierte er etwa, als er die Hand von Sängerin Cher nahm, dass er sich bei ihr wenigstens erlauben könne (aufgrund des Alters?), weil sonst müsse man heutzutage ja nahezu Angst haben, wenn man die Hand einer Frau nehme. Das Schnauben von Rapperin Shirin David, die neben Helene Fischer, dauerlächelnd, auf der Couch saß, war nicht zu überhören. Der Umgang mit dem anderen Geschlecht scheint ihn stärker zu beschäftigen, er zog sich als roter Faden durch die Moderation, umarmen oder nicht umarmen, Gabelstaplerfahrerinnen oder Gabelstaplerinnen, der Name der weniger bekannten Schauspielerin neben Jan Josef Liefers, den er dauernd zu vergessen drohte. Kann man alles machen. Wenn es lustig wäre. So war es nur das, was er selbst benannte: der Trotz eines „alten weißen Mannes“.

Bezeichnend ein kurzer Dialog, wieder mit Rapperin Shirin David. Sie liebe Opern. Das würde man ihr gar nicht ansehen. Die Feministin übrigens auch nicht. Wieso, fragte sie. Weil ich gut aussehe? Nein, das tue er auch und sei ja kein Feminist. Nein, ist er das nicht? Fragten die Damen fast unisono. Doch, natürlich sei er einer, ruderte er zurück. Vielleicht sah er den Aufnahmeleiter in dem Moment doch aus den Augenwinkeln.

Wenn es nur das wäre. Aber auch der Umgang mit den Wettkandidaten war teils völlig irre. Die zwei Gabelstaplerfahrerinnen behandelte er derart herablassend, dass sie allein deshalb in Tränen hätten ausbrechen sollen, nicht wegen der verlorenen Wette. Den kleinen Felix, der seine Wette ebenfalls verlor, der im Rollstuhl sitzt und mit dem Skateboard Unglaubliches schafft, tröstete er gleich dreimal mit der Betonung, dass er sich doch einmal umsehen solle: Alle würden für ihn aufstehen in dem Saal. Ein ganzer Saal steht! Standing Ovation! Felix verstand ohne Harm, was Gottschalk meinte. Sensibel war es dennoch nicht, so gar nicht. Für die Zukunft sei auch dringend angeraten, für eine barrierefreie Bühne zu sorgen, es war einfach elend anzusehen, wie Felix vor den Stufen hinauf zur Promi-Couch stehenbleiben musste.

Also soll Gottschalk gehen. Besser gesagt, wurde er hinausgeführt. Auf einer Baggerschaufel stehend, was zumindest einen Hauch (unfreiwilliger) Selbstironie hätte haben können. Hatte es nicht. Am Ende triefte alles nur vor nostalgischer Selbstverklärung. Das Leben gehe jedenfalls weiter, betonte er mehrmals. Diese Sendung solle nur ja keine öffentliche Grablegung werden. War es nicht, man sah ihm eher dabei zu, wie er selbst daran schaufelte. Aber Wetten, dass er es nicht schafft? Dazu ist einem dieses Gesicht, diese ganze Figur, die schließlich einen großen Teil der Gesellschaft schlicht abbildet, noch allzu vertraut. Er wird sein Publikum weiter haben und finden. Und auch wir werden wohl wieder einschalten. Denn, es war wohl sein wahrster Satz in dieser Sendung – „Ich kann nichts dafür, dass Sie mit mir die besten Zeiten Ihres Lebens verbinden.“

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