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Österreichs Unternehmen: Digital ist nicht normal

Gerade kleinere Unternehmen in Österreich scheuen neue Technologien immer noch.
Gerade kleinere Unternehmen in Österreich scheuen neue Technologien immer noch. Harold M. Lambert/Getty Images
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Seit der Pandemie hat die Wirtschaft in Sachen Digitalisierung den Rückwärtsgang eingelegt. Daten und Technologie sind da. Was fehlt, ist das Wissen. Schuld daran seien auch fehlgeleitete öffentliche Gelder, sagt Drei-Chef Rudolf Schrefl.

Wien. Vergangene Woche schüttete Österreich in Person von Digitalstaatssekretär Florian Tursky wieder einmal das Füllhorn über die Lande aus. 375 Millionen Euro aus der zweiten Breitband-Milliarde sollen in den Bau zusätzlicher Glasfaserkabel gesteckt werden, um die Digitalisierung in der Republik rascher voranzutreiben. Doch ob es wirklich an der Infrastruktur hapert, ist fraglich: Schon heute sind sieben von zehn Haushalten theoretisch mit gigabitfähigen Internet-Anschlüssen versorgt, 95 Prozent könnten theoretisch mobile 5G-Verbindungen nutzen.

Das Problem ist aber: Nur ein Bruchteil der anvisierten Endkunden nutzt die milliardenteure Infrastruktur auch. Das gilt für private Haushalte ebenso wie für Unternehmen. Während Telekomkonzerne und Berater ursprünglich einen Digital-Boost erwartet haben, tritt die Wirtschaft bestenfalls auf der Stelle.

Kater nach Pandemie-Boom

„Wir sehen bei Unternehmen ganz klar, dass sich seit 2019 nichts mehr bewegt hat“, zitiert Drei-Chef Rudolf Schrefl aus den Ergebnissen einer Studie in Zusammenarbeit mit Arthur D. Little. „Die kleineren Unternehmen haben sogar leichte Rückschritte in der Digitalisierung gemacht.“ Der ernüchternde Befund deckt sich mit dem Ergebnis des „Digital Dividende 2023“-Reports, den die Industriellenvereinigung jüngst gemeinsam mit Accenture vorgelegt hat. „Die letzte große Digitalisierungswelle gab es während der Pandemie. Seitdem gibt es keine substanzielle Veränderung des Digitalisierungsgrades österreichischer Unternehmen“, sagt Michael Zettel von Accenture Österreich. 65 Prozent der Betriebe hätten einen geringen Digitalisierungsgrad, nur drei Prozent einen hohen.

Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Fakt ist: In einem Jahr, in dem es die künstliche Intelligenz dank Chat GPT in jede Stammtischrunde geschafft hat, sehen sechs von zehn heimischen Unternehmen noch nicht einmal einen Vorteil darin, das eigene Geschäft zu digitalisieren, heißt es in der Studie von Arthur D Little. Von künstlicher Intelligenz ist da noch gar nicht die Rede.

Hunderte Millionen für neue Kabel

„Ein großer Grund für diesen Zustand ist das fehlende Wissen bei den kleinen Unternehmen selbst“, sagt Schrefl zur „Presse“. Viele Landwirte, Händler und Tourismustreibende – diese Branchen haben den größten Aufholbedarf – hätten schlichtweg keine Idee davon, dass auch sie von digitalen Technologien profitieren können. Das reicht von KI-gestützten Programmen, die Bauern dabei helfen, die beste Zeit zum Säen, Wässern und Sprühen zu wählen, bis zur automatischen Auswertung der Bewegungsströme potenzieller Kunden auch für kleine Händler. Auch die Sorge, bei Datenschutz-Fehlern große Geldstrafen bezahlen zu müssen, und das mangelnde Kapital für entsprechende Beratung lassen viele Unternehmer zurückschrecken.

„Wir hätten daher die Budgetmittel aus der Breitbandmilliarde nicht für ein neuerliches Vergraben von Glasfaserleitungen ausgeben sollen, sondern eher dafür, die Nachfrage nach schnellem Internet zu stärken und Wissenslücken zu schließen“, sagt Drei-Chef Rudolf Schrefl. Natürlich sei auch die allgemeine Teuerung ein Grund für die Zurückhaltung in den vergangenen Jahren. Das gelte jedoch bestenfalls für Kleinunternehmen. Großkonzerne würden ihre strategischen Projekte üblicherweise wegen einer kurzfristigen Kostensteigerung nicht so rasch über Bord werfen.

Digitale Champions wachsen schneller

Künstliche Intelligenz ist bisher in erster Linie für größere Unternehmen ein Thema – und selbst da hat Österreich gewaltigen Aufholbedarf. Während die heimischen Unternehmen in Europa bestenfalls im Mittelfeld landen, sind Länder wie Portugal und Dänemark ganz weit vorn. „Daten und Technologien für die Automatisierung sind vorhanden, sie müssen nur genutzt werden“, sagt Philipp Krabb von Accenture Österreich.

„Wenn man als Unternehmen so wichtige Entwicklungen wie die künstliche Intelligenz ignoriert, wird man künftig in wirtschaftlich schwierigen Zeiten rascher unter Druck kommen“, warnt Schrefl. Wie sehr es sich für große und kleine Unternehmen lohnen kann, bei der Digitalisierung vorn dabei zu sein, hat Accenture nachgerechnet: Die drei Prozent aller Unternehmen im Land, die als „digitale Champions“ firmieren, erzielen demnach um fast 25 Prozent mehr Umsatzwachstum als alle anderen.

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