Die Ich-Pleite

Wir lassen uns täuschen

Carolina Frank
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Kinder und Männer bevorzugen hohe Stimmen, Frauen finden Männer mit tieferen Stimmen attraktiver.

Einer der größten evolutionären Vorteile des Menschen ist, dass wir so gut darin sind, einander zu durchschauen. Sicher, manchmal lassen wir uns auch täuschen. Wenn der böse Wolf nicht Kreide gefressen hätte, hätte ihn das Rotkäppchen nie in ihr Stübchen gelassen. Und das ist kein Zufall. Denn Kinder, weiß man heute, mögen Menschen mit höheren Stimmen lieber. Wenn es sich um Mädchen handelt, dreht sich das aber später um. Frauen finden Männer mit tieferen Stimmen attraktiver. Obwohl Studien ergeben haben, dass dieser Nick-Cave-Stimmen-Männertyp eher an kurzfristigen Liebesbeziehungen interessiert ist als der mit der höheren Guter-Vater-halbe-halbe-Stimmlage. Fortpflanzungsfixiert, wie die Natur ist, legt sie uns da einfach herein.

Aber es lassen sich auch die Männer täuschen. Sie bevorzugen Frauen mit hohen Stimmen. Aber sie merken nicht, dass die Stimmen der Frauen kurz vor dem Eisprung noch ein bisschen höher werden. Bevor ein Mann „Gehen wir zu dir oder zu mir?“ fragt, sollte er sich vielleicht überlegen, ob er auch „Wischt du der Kleinen das Gacki weg oder soll ich?“ fragen will. Seit Längerem trainiert man auch die KI auf menschliche Stimmen. Inzwischen reichen ihr ein paar harmlos ins Aufnahmegerät gesprochene Worte, um zu wissen, welcher Kandidat auf die Frage „Wer meldet sich freiwillig für die - übrigens nicht bezahlte - Wochenendarbeit?“ mit „Ja“ antwortet. Deshalb wird sie bei Jobauswahlverfahren immer beliebter. Aber die KI weiß bald auch, wie es uns gesundheitlich geht. In Indien wurde eine KI entwickelt, der reichen ein paar Worte, „Guten Tag! Wie hoch ist mein Blutzuckerspiegel?“, und schon kann sie sagen, ob die Person an Typ-2-Diabetes erkrankt ist. Kreide schlucken gibt‘s nicht mehr.

 (Die Presse Schaufenster, 24.11.2023)

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