Wort der Woche

Ein Ende des Klimawandels?

Selbst wenn wir die Treibhausgas-Emissionen komplett stoppen („zero emission“), könnte es passieren, dass die globale Erwärmung noch einige Zeit weitergeht.

Die Vorzeichen für die Weltklimakonferenz in Dubai, zu der Vertreter von 197 Staaten und von noch viel mehr Organisationen angereist sind, stehen alles andere als günstig: Laut UN-Umweltorganisation UNEP steuern wir auf eine globale Erwärmung um drei Grad zu – damit verfehlen wir das Pariser Klimaziel (unter zwei Grad) deutlich.

Der menschengemachte Ausstoß von Treibhausgasen ist unzweifelhaft die Ursache für die Erwärmung um aktuell 1,17 Grad. Allerdings meinen viele Wissenschaftler, dass selbst ein komplettes Ende aller Emissionen nicht automatisch bedeutet, dass die folgenschwere Klimaerwärmung sofort aufhört. Das wirkt paradox – aber das Klimasystem ist eben sehr komplex: Der erhöhte CO2-Gehalt und die gestiegenen Temperaturen haben auch nach der Beseitigung der Ursache noch Folgewirkungen.

Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass derzeit mehr als 90 Prozent der Energie, die durch den Treibhauseffekt auf der Erde festgehalten wird, von den Weltmeeren aufgenommen wird. In der Forschung herrscht weitgehende Einigkeit, dass die Meere in Zukunft weniger Wärme speichern werden – die Erdoberfläche würde sich erwärmen. Gleichzeitig fördert ein höherer CO2-Gehalt der Atmosphäre das Pflanzenwachstum: Dadurch wird CO2 aus der Luft entfernt und in Biomasse gebunden – das hat abkühlende Wirkung. Forschende um Sofia Palazzo Corner (Imperial College London) und Joeri Rogelj (IIASA Laxenburg) haben berechnet, dass sich diese beiden Effekte die Waage halten dürften (Frontiers in Science, 14.11.). „Zero emission“ würde demnach die weitere Erwärmung stoppen.

Dieser Schluss ist aber mit vielen Unsicherheiten behaftet, auch weil viele weitere Faktoren eine Rolle spielen: So verringert etwa das Abschmelzen von Gletschern die Reflektion der Sonnenstrahlung, das Auftauen des Permafrostes setzt Methan frei, verstärkte Waldbrände emittieren CO2 und Ruß – all das hat auch nach einem Ende der Emissionen erwärmende Wirkung. Ein weiterer Punkt sind Aerosole: Wenn keine fossilen Energieträger mehr verbrannt werden, wird die Luft sauberer. Neue Berechnungen chinesischer und US-Forschender um Pinya Wang (Nanjing University) legen nahe, dass mehr Sonnenstrahlung zur Erdoberfläche durchdringen kann und sich diese stärker erwärmt (Nature Communications, 9.11.).

Das beste Mittel, um diesen Risiken nicht ausgeliefert zu sein, ist eine rasche Verminderung der Emissionen, meinen die Forschenden einhellig.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/wortderwoche

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.