Neues Festival

231/2 Festwochen: „Tangente“ in St. Pölten

Buntes für Kinder & Co.: die „Super Farm“ aus Tokio kommt in die St. Pöltner Jahnturnhalle.
Buntes für Kinder & Co.: die „Super Farm“ aus Tokio kommt in die St. Pöltner Jahnturnhalle.Saeborg
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Hydrofeminismus an der Traisen, Milo Rau im Festspielhaus, John Zorn im Dom: Wie das Festival „Tangente“ der Konkurrenz in Wien und Oberösterreich trotzen will.

Vom „Plan B“ sprach Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Das Festival „Tangente“ solle St. Pölten als „moderne, urbane, mutige Stadt“ zeigen – auch in Konkurrenz zu anderen Landeshauptstädten, wie Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) hinzufügte. Die beiden präsentierten sich und ihr gemeinsames Festival betont einig – und mit einer Spur von Trotz. Denn Plan A wäre ja gewesen, dass St. Pölten 2024 Europäische Kulturhauptstadt ist. Doch 2019 entschied die Jury sich für Bad Ischl (und 22 andere Gemeinden des Salzkammergut), worauf man in Niederösterreich beschloss, zumindest einen Teil des Geplanten dennoch zu realisieren.

Es wurde ein sehr umfangreiches Programm, das unter dem Titel „Tangente“ von 30. April bis 6. Oktober läuft und von Stadt und Land mit jeweils über acht Millionen Euro subventioniert wird. Aufgelistet werden 34 Kooperationspartner, vom niederösterreichischen Haus der Geschichte über die Tonkünstler bis zum Frauenkunstprojekt Hippolyt und Töchter. Der deutsche Dramaturg Tarun Kade, der die künstlerische Leitung vom – in der Vorbereitung abgesprungenen – deutschen Dramaturgen Christoph Gurk übernommen hat, definiert drei Themenfelder: Ökologie, Erinnerung, Demokratie.

Klimakonferenz im Sonnenpark

Unter Ökologie findet etwa eine KIimakonferenz namens „Tipping Time“ statt; Pianist Pierre-Laurent Aimard und Schauspielerin Birgit Minichmayr interpretieren Messiaens „Katalog der Vögel“; die seit 35 Jahren aktive bayrische Band The Notwist bietet eine „Alien Disco“; Milo Rau zeigt „Justice“, ein Stück über einen Unfall im Kongo, bei dem Schwefelsäure in einen Fluss floss. Unter dem Stichwort Erinnerung spielt Olga Neuwirth zum Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ (1924); Susanne Kennedy inszeniert im Brachland hinter der einstigen Glanzstoffabrik „eine erweiterte Realität“; der geniale Brachialjazzer John Zorn zieht an der Orgel im Dom alle Register; das Stadtmuseum widmet sich unter „Blick in den Schatten“ der NS-Zeit in St. Pölten.

Unter dem Titel Demokratie läuft im Landestheater Schillers „Maria Stuart“, assoziiert mit der Notlage der Frauen im Iran; die Jugend der Stadt wird unter „Listen Now!“ zu einer Kundgebung animiert; in der „Super Farm“ von Saeborg können Kinder einen Bauernhof im Latex-Look erleben. Ein Kunstparcours entlang der Traisen soll laut Programmheft den „Hydrofeminismus“ transportieren – und die Idee, „dass wir Menschen über die undichte, durchlässige und transkorporale Ontologie des Wassers den planetarischen ,Hydrocommons‘ angehören“.

Das klingt schon ziemlich nach dem Slang der Wiener Festwochen 2018. Auch die Liste der Künstler – darunter Susanne Kennedy, Rimini Protokoll und God’s Entertainment – erinnert stark an die Festwochen. Deren neuer Intendant Milo Rau startet sein erstes Programm im April 2024, also ungefähr zeitgleich mit seiner Inszenierung in St. Pölten. Ähnlichkeiten gibt es auch mit dem Donaufestival in Krems, das mit Rücksicht auf die St. Pöltner Tangente heuer um eine Woche vorverlegt wird. Dazu kommt das benachbarte Oberösterreich, in dem nicht nur die Kulturhauptstadt lockt, sondern auch die Jubiläen von Anton Bruckner und St. Wolfgang.

Viel Konkurrenz ums potenzielle Publikum also, das Mikl-Leitner auch mit „Kulinarik, Wein und Radtourismus“ anziehen will. Und mit dem umgestalteten Domplatz, der bisher freilich eher wie eine Betonwüste anmutet, ähnlich wie der ans Regierungsviertel grenzende Kulturbezirk. Erfreulich: Dessen Wahrzeichen, der Klangturm, wird nach langer Brache 2024 wieder bespielt.

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