Weihnachtsfilm

Oberschenkel wie Baumstämme: Eine feministische Abrechnung mit „Love Actually“

Der Premierminister (Hugh Grant) lässt Natalie (Martine McCutcheon) erst versetzen, ehe er ihr seine Liebe gesteht. Nur eine von vielen Beziehungen mit Machtgefälle.
Der Premierminister (Hugh Grant) lässt Natalie (Martine McCutcheon) erst versetzen, ehe er ihr seine Liebe gesteht. Nur eine von vielen Beziehungen mit Machtgefälle.Universal Studios
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Das Frauenbild in „Tatsächlich… Liebe“? Mit einem Wort: problematisch. Das Männerbild übrigens auch. Der angeblich so romantische Weihnachtsfilm ist voll toxischer Geschlechterrollen.

Karen (Emma Thompson), die betrogene Ehefrau, ist die große Sympathieträgerin in „Love Actually“. Sie bastelt für ihre Tochter ein Hummerkostüm. Sie kauft Weihnachtsgeschenke für ihre Mutter und Schwiegermutter. Sie hält die Familie zusammen, selbst wenn ihr Bruder, der Premierminister (Hugh Grant), einfach auflegt. Und hat meistens sogar ein Lächeln im Gesicht. Aber auch die am lebensnächsten wirkende Figur in dem Ensemble, das hier versammelt ist, vertritt ein problematisches Bild von Geschlechterrollen. Ihrem platonischen Freund Daniel (Liam Neeson) rät sie wenige Tage nach dem Begräbnis von dessen Frau: „Waschlappen sind nicht angesagt. Wenn du rumheulst ohne Ende, geht keine Frau mit dir ins Bett“. Darf er denn nicht trauern, seine Gefühle zeigen? Warum muss er so kurz nach dem Todesfall sexuell potent wirken?

Ein Beispiel für toxische Männlichkeit. Statt sich mit seinen Emotionen zu beschäftigen, versucht mann erst einmal, sie zu verdrängen. Der Premierminister lässt seine Haushälterin Natalie (Martine McCutcheon) versetzen und kommt erst spät drauf, dass er sich ihre Nähe doch wünscht. Die Gefühle von Trauzeuge Mark (Andrew Lincoln) werden entlarvt, doch er versucht, die Kontrolle wiederzuerlangen, indem er Juliet (Keira Knightley) zwar seine Liebe gesteht, ihr aber kaum Raum – oder Zeit – für eine Reaktion lässt. Es gibt keine Aussprache, nur einen Abschiedskuss.

Frauentypen: Hure oder Heilige

Erstaunlicherweise sind es vor allem die Frauen, die im Film die Männer küssen. Das mag mit der Angst vor Zurückweisung zu tun haben, die diese Männerfiguren stärker kränken würde als die Frauen. Der an den Britinnen gescheiterte Loser Colin (Kris Marshall) wandert deswegen sogar aus – und trifft in einer Bar in Wisconsin drei schöne junge Sexobjekte. Insgesamt lassen sich die Frauentypen ziemlich exakt entlang der Dichotomie Hure und Heilige einordnen, wobei es letztere in zwei Ausformungen gibt. Die sexuell aggressive Mia (Heike Makatsch) ist klar zuordenbar. Sie lässt keine Gelegenheit aus, ihrem Chef Harry (Alan Rickman) zu vermitteln, dass sie willig ist. Sexszene mit ihr gibt es zwar keine, aber man sieht ihr zu, wie sie sich bis auf die rote Spitzen-Unterwäsche auszieht. Typisch für den männlichen Blick im Kino (Kamera: Michael Coulter), der Frauenkörper auch gern mittels Großaufnahmen in Rundungen zerhackt. 

Zu den Heiligen zählen die mütterlichen Frauen, Karen freilich, und auch Sarah (Laura Lynney), die es sogar stoisch erträgt, wenn ihr psychisch kranker Bruder sie zu schlagen versucht. Die beiden sind übrigens die einzigen, denen am Schluss kein Happy End mit Liebesglück vergönnt ist. Natalie wirkt auch aufopferungsvoll, zählt aber zum Typ „ideale Frau“. Ideal deswegen, weil man kaum etwas über sie weiß. Juliet ebenso, und Aurelia (Lúcia Moniz): Die portugiesische Haushälterin kann sich mit dem im südfranzösischen Ferienhaus weilenden Schriftsteller Jamie (Colin Firth) nicht verbal verständigen. Aufmerksam wird er auf sie, als sie sich in Unterwäsche und unerklärlicherweise aus dem Pferdeschwanz befreiten Haar in einen kalten Teich stürzt. Ein Mann in Machtposition, eine Frau, die ihm dient: eine von vielen Beziehungen mit hierarchischem Gefälle in diesem Film.

Victim Blaming: Warum redet der Chef nicht mit Kevin?

Auch „victim blaming“ lässt sich beobachten. Etwa, wenn Harry Mia für die Weihnachtsfeier den Tipp gibt: „Raten Sie den Kolleginnen, Kevin aus dem Weg zu gehen, wenn sie ihre Brüste nicht betatscht haben wollen.“ Warum redet er nicht mit seinem Angestellten? Ständig werden Körper kommentiert. Rockstar Billy Mack (Bill Nighy) ist regelrecht besessen vom lässt Körper seines Managers Joe (Gregor Fisher) und keine Gelegenheit aus, ihn als fett zu bezeichnen.

Auffallend ist das Bodyshaming bei Natalie. Darstellerin McCutcheon entspricht nicht „Size Zero“, ist aber normalgewichtig. Im Film wird das problematisiert. Natalies Ex-Freund verglich ihre Oberschenkel mit Baumstämmen (im Deutschen: Elefantenbeine). Eine Kollegin beschreibt sie mit: „ziemlich gewaltiges Hinterteil und riesige Oberschenkel“. „Gott bist du schwer“, sagt der Premier, als er sie hebt. Und das soll romantisch sein?

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