Randerscheinung

Gegenseitige Beobachtung

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Der Hund ist gerade wieder besonders lästig. Er stalkt mich völlig ungeniert.

Wenn ich in der Früh aufstehe, passt er mich schon hinter der Schlafzimmertür ab, um zu schauen, ob ich (tramhapert, wie ich bin) mit ihm zwischen den Füßen nicht doch die Treppen runterfalle. Danach folgt er mir so lang auf Schritt und Tritt zwischen Kaffeemaschine, Wasserkocher und Küchentisch, bis wir endlich spazieren gehen. Das geht dann am Wochenende, wenn ich zu Hause bin, den ganzen Tag bis zum Schlafen­gehen so. Ich halte es übrigens besser aus, vom Hund beobachtet/verfolgt zu werden, wenn ich etwas zu tun habe. Beim Kochen, Wäschewaschen, ­Herumräumen, auch beim Schreiben (er liegt gerade halb unter meinem Sessel und tut so, als würde er schlafen. Wenn ich mich aber zu abrupt bewege, fixiert er mich gleich wieder).

Besonders blöd komme ich mir aber vor, wenn er mich beim Nichtstun beobachtet. Es erinnert mich an den alten Witz, in dem ein Mann einem Fischer eine halbe Stunde lang beim Herumtun mit der Angel zuschaut und dann sagt: „Es gibt wirklich nichts Blöderes als zu angeln.“ Worauf der Angler sagt: „Doch, dabei zuzuschauen.“ Dem Hund ist das natürlich egal. Er versteht keine Witze. Ein doppelter Boden interessiert ihn nur, wenn er darunter etwas Fressbares vermutet. Ich hatte nie den Wunsch, berühmt zu sein, seit mich mein Hund immerzu anstarrt, tun mir Taylor Swift und Harry Styles aber richtiggehend leid. Muss unglaublich anstrengend sein. Immerhin hat der Hund kein Handy und will auch kein Selfie mit mir. Ich dagegen mache recht viele Fotos von ihm, wenn ich es recht bedenke. Und ich schaue ihm auch ziemlich viel zu, wenn er richtig schläft, zum Beispiel. Das beruhigt mich. Hoffentlich stört es ihn nicht. (Die Presse Schaufenster, 1.12.2023)

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