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ÖBB, ein Muster an Zuverlässigkeit

Bitte warten. Zugfahrende werden in Deutschland recht oft auf eine Geduldsprobe gestellt. Es liegt vor allem an Überlastung und Infrastruktur. Nun wird auch gestreikt.
Bitte warten. Zugfahrende werden in Deutschland recht oft auf eine Geduldsprobe gestellt. Es liegt vor allem an Überlastung und Infrastruktur. Nun wird auch gestreikt.APA / AFP / Christof Stache
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Immer neue Varianten des Scheiterns: Das Desaster der DB fördert Ösi-Patriotismus.

Deutschland, hieß es oft, sei perfekt organisiert. Umso mehr belustigt es den kummergebeutelten österreichischen Bahnfahrer, dass beim nördlichen Nachbarn noch weniger klappt. Offizielle Selbstdiagnose: 26 Prozent der Weichen, 48 Prozent der Stellwerke und 42 Prozent der Bahnübergänge weisen schlimme Mängel auf. Seit den Neunzigern wurde die Hälfte der Weichen zurückgebaut das macht Stau. Pünktlichkeitsquote: kaum 65 Prozent. Deutschland hat ein überlastetes, störanfälliges Eisenbahnnetz mit veralteter Infrastruktur. Zum problematischen Rückbau des Netzes um ein Fünftel (Gewinnmaximierung statt Gemeinwohlorientierung) und zur chronischen Unterfinanzierung kommt der Personalmangel. Knapp angesetzte Streiks sind der neueste Treppenwitz. Die Passagiere lernen alle Varianten des Scheiterns kennen und erhalten so unschätzbare Einblicke in den Betrieb. Profis visualisieren zukünftige Desaster zunehmend besser, das Unternehmen zieht gleichsam eine Generation von DB-Kassandren heran.

Bei der DB kommt eins zum anderen - ein ICE hat „technische Probleme“, verspätet sich, das Personal sollte auf einen anderen Zug wechseln, es bleibt daher abwesend. Irgendwo tritt eine Signalstörung auf oder die Streckenfahrzeuge eines Reparaturteams blockieren das Gleis. Oder es heißt, ein Güterzug sei auf der Strecke liegen geblieben. (Was macht der eigentlich in der Hauptverkehrszeit auf der ICE-Strecke?) Viele 25 Jahre alte ICE-Garnituren schwächeln. Besonders gern fällt das Bistro aus, weil die Kühlung nicht funktioniert, manchmal segnet die Kaffeemaschine das Zeitliche, oder es gibt nur warmes Wasser und Snacks - Stromausfall.

Dagegen sind die ÖBB (werde nie mehr schimpfen!) ein Muster, ja Monster an Zuverlässigkeit. Sie erfanden die taktvolle Durchsage: „Dieser Zug hat voraussichtlich 80 Minuten Verspätung. Grund ist die verspätete Übergabe aus einem Nachbarland.“ Am Bahnsteig blicken wir österreichischen Wartenden einander an, konsterniert von der Schocknachricht, doch auch ein bisschen stolz. Unsere Bundesbahnen haben dieses Schlamassel nicht zu verantworten, und auch im Kicken sind wir besser!

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