Pizzicato

Spannend ist nimmer spannend

<em>Da</em> ist was mit Spannung! (Im Bild: Frankfurt) In der Sprache ist das leider immer seltener der Fall oder wird irrig vorgetäuscht.
Da ist was mit Spannung! (Im Bild: Frankfurt) In der Sprache ist das leider immer seltener der Fall oder wird irrig vorgetäuscht.Imago / Jan Eifert
  • Drucken

Über eine aktuelle Modewortplage, die mindestens so nervig ist wie die verbreiteten asozialen Verhaltensmuster im Glühkindlmarktgedränge und -Herumgestehe.

Im Advent sollte das Pizzicato an sich ja besinnlich sein. Leider geht das nicht konsequent immer, weil etwa die verbreiteten asozialen Verhaltensmuster im Glühkindlmarktgedränge und -Herumgestehe nerven, und im süßen Kekserlteig will das Pizzi thematisch auch nicht ersaufen.

Zudem ist da seit Längerem ein neuer Störfaktor: die inflationäre Nutzung des Wörtchens „spannend“ . Jede Idee, die man vorbringt, wird schnell als „spannend“ bezeichnet, jeder Vorschlag, jede Geschichte, selbst wenn‘s um Agrarreformen in Surinam, Probleme des Bibliothekswesens in Kinshasa oder Pilzesammeln in Osttirol geht.

Die Grazer Autorin und Texttrainerin Doris Lind sieht das auch so: „Spannend“ sei für sie ein „supermüder Trafo“ geworden, war heuer in den Wiener Sprachblättern zu lesen. Das einst energiegeladene Wort sei zur Floskel erkaltet, denn „heute ist alles spannend: Ideen, Meinungen, Projekte, Herausforderungen, Jobs“. Man möge das Wort „eine Zeit lang in Ruhe lassen“ und Alternativen benützen, etwa „interessant“. Nun ja, das ist zwar als Begriff auch wie eine ausgequetschte Zahnpastatube, aber wenigstens nicht so unnötig dick aufgetragen und euphemistisch wie „spannend“.

Also: Spannend sind Filme, etwa aus dem Horror-, Science-Fiction- und Kriegsmilieu, spannend sind Bücher von Stephen King, Ken Follett, Nevil Shute, spannend sind Reisen durchs australische Outback, durch Patagonien oder die südpazifische Inselwelt, spannend sind Skirennen, das erste Rendezvous, ein Vorstellungsgespräch, das Öffnen von Behördenbriefen, meine Kässpätzle, mein Glühwein und Brillen von ORF-Moderator*innen. Aber durch die doofe Modewortwerdung ist „spannend“ neben oben erwähnten Beispielen mittlerweile auch so spannend wie Putenrahmgeschnetzeltes mit Reis, Scholle gedünstet mit Kartöffelchen, abgestandenes Bier, die nächste Debatte um die Pensionsreform, weiße Sneakers, Taylor Swift und Kolumnen in „Woman“ und dem AUA-Bordmagazin. Gönnt dem Wort eine Pause! Spannend, ob Ihr das durchhaltet.

E-mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.