Klassik

„Elektra“ in der Staatsoper: Eine Einspringerin rettet den Muttermord

Ricarda Merbeth rettete als trotzige (und triumphal Spitzentöne stemmende) Elektra die Wiederaufnahme der bewährten Inszenierung.
Ricarda Merbeth rettete als trotzige (und triumphal Spitzentöne stemmende) Elektra die Wiederaufnahme der bewährten Inszenierung.Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
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Richard Strauss’ „Elektra“ funktioniert in der klassischen Kupfer-Inszenierung mit Einspringerin Ricarda Merbeth und Alexander Soddy am Pult wieder als packendes Psychodrama. 

Agamemnon!“ Auf Hans Schavernochs Bühne ragt der frühere König von Mykene immer noch als Monumentalstatue empor, geköpft und langsam verrottend zwar, aber trotz offensichtlichen Bemühens lässt sich diese Erinnerung an das alte Regime nicht ausmerzen: ein doppeltes, starkes Symbol. Wenn Ricarda Merbeth die Anrufung ihres toten Vaters beginnt, den großen Monolog der Elektra, dann hört man darin gleich ein trotzig vorgerecktes Kinn und halb zusammengebissene Zähne. Und neuerlich beeindruckt, mit welcher Disziplin sich diese Sopranistin die enorm fordernde Partie zu eigen gemacht hat.

In der langen Reihe jener Sängerinnen, die sich in den hochdramatischen Bezirken eigentlich jenseits ihrer natürlichen Grenzen befinden, das Risiko aber trotzdem eingehen, weil die Rollen so faszinierend und der Kreis der Kolleginnen so klein ist, nimmt Merbeth eine eigene Stellung ein: Denn wenige können sich in diesem Fach über Jahre so wacker halten – und haben dabei zum Beispiel immer noch sichere, keineswegs mühevoll erkämpfte hohe Cs zur Verfügung. Zugegeben, darstellerisch bleibt sie in Harry Kupfers so körperbetont packender Inszenierung etwas zu blass, um stärksten Eindruck zu machen. Und nach wie vor hört man, dass Merbeth ihren Vortrag in Pathos tränkt und mehr Volumen zu suggerieren versucht als vorhanden ist: Die schwächere Mittellage verrät es, und der Umstand, dass die Stimme nicht so recht aufgeht, nicht ideal in den Raum hinausstrahlt.

Aber sie weiß durchaus expressiven Effekt zu erzielen – manchmal sogar dadurch, dass sie Spitzentöne stemmen muss. Zum Beispiel am triumphalen Schluss ihrer Invektiven gegen das verhasste Muttermonster Klytämnestra, die Mörderin des vergötterten Vaters Agamemnon, deren gewaltsamen Tod sie in Ekstase herbeifantasiert. „Wer dann noch lebt, der jauchzt, und kann sich seines Lebens freun!“, lässt Hugo von Hofmannsthal sie ausrufen – und Richard Strauss kleidet das in eine so großartige wie gefürchtete Gesangslinie, die schon so manche Sopranistin in die Knie gezwungen hat. Und Merbeth? Nach dem jauchzenden hohen C zieht sie den Schlusston der Phrase, ein hohes B auf „freun“, zu seinen eröffnenden Konsonanten hoch wie einen Wolkenkratzer …

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