Der ökonomische Blick

Was genau ist eigentlich eine Rezession?

Man hört vom wirtschaftlichen Abschwung, einer schwachen Konjunktur, und mitunter ist die Rede von einer Rezession. Aber was genau ist eigentlich eine Rezession?
Man hört vom wirtschaftlichen Abschwung, einer schwachen Konjunktur, und mitunter ist die Rede von einer Rezession. Aber was genau ist eigentlich eine Rezession?Die Presse/Clemens Fabry
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Wie steht die Rezession mit dem Konjunkturzyklus im Zusammenhang und warum ist ihre Definition relevant? Diese trivial anmutenden Fragen sind mitunter nicht leicht zu beantworten.

Man hört vom wirtschaftlichen Abschwung, von einer schwachen Konjunktur, und mitunter ist die Rede von einer Rezession. Aber was genau ist eigentlich eine Rezession, wie steht sie mit dem Konjunkturzyklus im Zusammenhang und warum ist die Definition relevant? Diese trivial anmutenden Fragen sind mitunter nicht leicht zu beantworten.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Kommen wir zunächst zur Relevanz einer Rezession. In diesen ökonomischen Phasen, die weiter unten näher charakterisiert werden, kommt es typischerweise zur Unterauslastung der Kapazitäten in der Produktion und die Arbeitslosigkeit ist hoch (mit Implikationen für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, Konsum, Wohlfahrt und Inflation). Im Gegenzug existiert allerdings auch die Überhitzung der Wirtschaft. Sollten sich diese gegenläufigen Episoden im Durchschnitt „kürzen“, dann sind politische Eingriffe bezüglich der Glättung des Konjunkturzyklus langfristig überflüssig, beziehungsweise sogar ineffizient. In der theoretischen und empirischen Forschung zeigt sich, dass ein temporärer Rückgang der Wirtschaftsleistung aber durchaus Auswirkungen auf die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung haben kann, zum Beispiel wegen Asymmetrien zwischen spezifischen wirtschaftlichen Episoden. Dementsprechend ist die Rolle des Staates und der Zentralbank während einer Rezession zentral in wirtschaftspolitischen Debatten, und diskretionäre Eingriffe sollten typischerweise umfassend diskutiert und wohlüberlegt eingesetzt werden.

BIP gibt Auskunft über Startpunkt

Einen geeigneten Startpunkt zur Definition einer Rezession stellt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dar. Das BIP ist eine der zentralen gesamtwirtschaftlichen Kennzahlen, und seine Entwicklung verläuft, wie bereits zuvor angedeutet, in Zyklen: Auf Wachstum (Expansion und Höchststand) folgt temporäre Verringerung (Rezession und Konjunkturtief). Dieses Muster wiederholt sich stetig. Die Gründe dafür führen weit über diesen Beitrag hinaus – tatsächlich stellt die Erklärung dieser zyklischen Dynamik eine der Kernfragen der makroökonomischen Forschung seit Jahrzehnten dar.

Eine oftmals benutzte technische Definition einer Rezession ist der Rückgang des BIPs in zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Quartalen. Diese Klassifizierung ist zwar einfach, aber meistens unzureichend. Die Berechnung des BIPs ist komplex und die relevanten Informationen in Echtzeit sind unvollständig. Entsprechende Zahlen werden daher typischerweise erst einige Wochen nach dem Ende des entsprechenden Quartals (vorläufig) veröffentlicht. Tatsächlich revidieren die Statistikbehörden das BIP mitunter noch Jahre später, damit die Werte dem exakten Konzept nach dem jeweils aktuellen Informationsstand entsprechen.

Um effiziente und zielgerichtete wirtschaftspolitische Maßnahmen setzen zu können, sind zeitnah verfügbare Informationen entscheidend. Die Probleme hinsichtlich der technischen Definition sind demnach die Frequenz der Veröffentlichung relevanter Daten und deren Verfügbarkeit in Echtzeit. Erschwerend in diesem Zusammenhang sind außerdem Messfehler und die Frage nach der Signifikanz bei kleineren Quartals-Wachstumsraten; um ein Beispiel zu nennen, Q2: –0,1, Q3: 0,5, Q4: –0,1 wäre keine Rezession, Q2: 0,5, Q3: –0,1, Q4: –0,1 schon, bei gleichem Durchschnittswachstum. Interessanterweise kann das Erfüllen der technischen Definition einer Rezession im Zusammenhang mit den Erwartungen von Wirtschaftssubjekten (Stichwort Geschäfts- und Konsumklima) sowohl bezüglich Realwirtschaft als auch Finanzwirtschaft zur selbsterfüllenden Prophezeiung für eine Rezession im weiter unten diskutierten Sinn werden.

Rezessionen sind in den USA häufig kürzer

In den Vereinigten Staaten (USA) und der Eurozone (EZ) haben sich wegen dieser Problematik Komitees zusammengesetzt (NBER und EABCN, siehe unten), die sich mit der Datierung der Wendepunkte des Konjunkturzyklus und Rezessionen befassen (für Österreich existiert keine derartige Institution). In der Eurozone ist eine Rezession „ein signifikanter Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, der sich auf die gesamte Wirtschaft der Eurozone erstreckt und in der Regel in zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativem Wachstum des BIPs, der Beschäftigung und anderen Messgrößen der gesamtwirtschaftlichen Aktivität für die Eurozone sichtbar wird“ (Übersetzung des Autors). Die technische Definition wird also aufgefasst, erweitert durch ein breiteres Verständnis relevanter Variablen und den Zusatz der Signifikanz des Rückgangs der wirtschaftlichen Aktivität. Die datierten Rezessionen (blau schattiert) sind in Grafik 1 dargestellt, Grafik 2 zeigt Wachstumsraten gruppiert nach der jeweiligen ökonomischen Phase.

Diese beiden Grafiken visualisieren einige empirische Fakten bezüglich Konjunkturzyklen. Klar ersichtlich ist der negative Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum. Die asymmetrische Dynamik zwischen den beiden Phasen ist ebenfalls auffallend: Expansionen dauern länger als die abrupteren Rezessionen. Generell ist festzuhalten, dass sowohl Rezessionen als auch die darauffolgende Erholung sehr unterschiedlich verlaufen können – bezüglich ihrer Dauer und auch den ursprünglichen Gründen (zum Beispiel Krisen im Finanzsektor oder exogenen Schocks bei Öl-/Energiepreisen). Außerdem sind sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Arbeitslosenquote aggregierte Daten. Sie spiegeln demnach breite Korrelationen und gewichtete Durchschnitte über Wirtschaftssektoren, Regionen, beziehungsweise im Fall der Eurozone auch Länder, wider. Potenziell kann sich die Härte einer Rezession allerdings unterschiedlich auf verschiedene Wirtschaftssektoren oder auch Bevölkerungsgruppen auswirken. Aus historischer Sicht sind Rezessionen in den USA nach der umfassenden Definition etwas kürzer als in der Eurozone, dafür treten sie häufiger auf. Die einzelnen positiven Wachstumsraten während Rezessionen illustrieren außerdem den Unterschied zur rein technischen Definition.

Der Autor

beigestellt

Michael Pfarrhofer ist Assistenzprofessor am Department of Economics der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Makroökonomie (Konjunkturzyklen, Prognosen, Geldpolitik) und Ökonometrie. 

Zusätzliche Informationen und Literatur

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der „Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft produziert werden“.

– National Bureau of Economic Research (NBER) Business Cycle Dating, die erste Rezession ist datiert mit Juni 1857.

– Euro Area Business Cycle Network (EABCN), Dating Committee.

– Dupraz, S., Nakamura, E. and Steinsson, J. (2023): „A Plucking Model of Business Cycles“. NBER Working Paper 26351.

– Eggers, A.C., Ellison, M. and Lee, S.S. (2021): „The Economic Impact of Recession Announcements“. Journal of Monetary Economics 120, 40–52.

– Fornaro, L. and Wolf, M., 2023. „The Scars of Supply Shocks: Implications for Monetary Policy“. Journal of Monetary Economics, im Erscheinen.

– Stock, J.H. and Watson, M.W. (1989): „New Indexes of Coincident and Leading Economic Indicators“. NBER Macroeconomics Annual 4, 351–394.

Datenquellen

>> FRED Economic Data, Federal Reserve Bank of St. Louis

>> ECB Data Portal, Europäische Zentralbank

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