Medikamente

„Kuh hat es besser als Bäuerin“: Ärzte pochen auf Schutz von Hausapotheken 

 Zwischen 850 und 870 Hausapotheken gibt es derzeit in Österreich.
 Zwischen 850 und 870 Hausapotheken gibt es derzeit in Österreich.APA
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Der Ärztekammer zufolge ist Patienten auf Dauer nicht zumutbar, für jedes Arzneimittel eine Apotheke aufzusuchen – insbesondere in ländlichen Regionen und auch aus Klimaschutzgründen. 

Wird eine Kuh krank, kommt ein Tierarzt und versorgt das Tier vor Ort mit dem notwendigen Medikament. Wird die Bäuerin krank, kommt ein Hausarzt und stellt ein Rezept für das erforderliche Medikament aus, das sie – vielleicht mit Fieber und Gliederschmerzen – in der nächstgelegenen Apotheke einlösen muss, die möglicherweise nur mit dem Auto zu erreichen ist. Dieses Beispiel bemüht Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, um auf die Bedeutung von ärztlichen Hausapotheken hinzuweisen.

„Eine Bronchitis darf nicht zur Lungenentzündung werden, weil jemand im kranken Zustand zu einer Apotheke fahren muss“, sagt Bayer bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Hinzu komme der Klimaschutz. Mehrere Kilometer mit dem Auto zurückzulegen, um ein Medikament für die Rezeptgebühr oder für noch weniger Geld zu kaufen, sei einfach nicht mehr zeitgemäß. „Der Gebietsschutz für öffentliche Apotheken gehört ein für allemal abgeschafft“, ergänzt Edgar Wutscher, Vizepräsident der Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Das Corona-Medikament Paxlovid, das derzeit Mangelware ist, sei ein weiteres gutes Beispiel für die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Hausapotheken. Eine infektiöse Person mit einem Rezept in eine oder mehrere Apotheken zu schicken, anstatt ihr die Tablette gleich in der Ordination zu geben, sei beinahe ein Antreiben von Infektionsketten.

Die konkrete Forderung

Die Kritik der beiden richtet sich in erste Linie an die Österreichische Apothekerkammer, die ihr Monopol in diesem Bereich vehement verteidige und einer Modernisierung des Gesetzes nicht zustimme. Konkret fordert die Ärztekammer die Aufhebung jener Klausel im Apothekengesetz, wonach Hausärzte im Zuge des Gebietsschutzes für öffentliche Apotheken ihre Apotheke schließen müssen bzw. keine in Betrieb nehmen dürfen, wenn im Umkreis von vier bis sechs Straßenkilometern eine öffentliche Apotheke eröffnet. Dann könnten mehr Ordinationen eine Apotheke betreiben und junge Mediziner motiviert werden, sich in entlegenen Regionen niederzulassen. Im Vordergrund der Bestrebungen der Ärztekammer stünden gar nicht noch mehr Hausapotheken, sondern der Erhalt der derzeit bestehenden.

Bei einem entsprechenden Rechtsschutz könnte ein Großteil der offenen 300 Kassenstellen besetzt werden, sagt Wutscher mit Verweis auf eine von der Kammer in Auftrag gegebene Studie. Vor allem für ältere Patienten wäre es ein enormer Vorteil, müssten sie für ihre Medikamente keine längeren Wege in öffentliche Apotheken zurücklegen, Diagnose und Therapie würden also aus einer Hand erfolgen. Rückendeckung für diesen Standpunkt kommt von der Bundeswettbewerbsbehörde. Auch sie schlägt auf Basis einer – vor vier Jahren durchgeführten – Untersuchung zur Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum vor, den Apothekenmarkt zu liberalisieren, um Hausarztpraxen auf dem Land attraktiver zu machen.

Zudem fordert die Kammer das Dispensierrecht – also das Recht, dass Hausärzte Medikamente selbst herstellen (mischen) dürfen. Darüber hinaus sollen künftig auch Primärversorgungseinheiten eine Hausapotheke betreiben dürfen. „In einer Primärversorgungseinheit bekommen die Patienten alles – von der Physiotherapie bis hin zu logopädischen Leistungen, aber keine Medikamente“, sagt Silvester Hutgrabner, Leiter des Referats Hausapotheken und Medikamentenangelegenheiten der Ärztekammer.

Für die Apothekerkammer wiederum ist es eine Illusion zu glauben, mit der Streichung der Mindestentfernungen die Gesundheitsversorgung auf dem Land verbessern zu können. Eine Liberalisierung würde die Schließung von zehn Prozent der Apotheken in der Minute bedeuten. Insgesamt sei dann fast die Hälfte der Apotheken zumindest gefährdet. 6000 Arbeitsplätze mit einem Frauenanteil von 89 Prozent sowie Hunderte Lehrstellen könnten verloren gehen.

Neues Apothekengesetz

Auf den Wegfall der besagten Klausel pocht die Ärztekammer auch deshalb, weil das Apothekengesetz im Zuge der Gesundheitsreform adaptiert wird. Apotheken dürfen künftig Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen, die Einrichtung von ausgelagerten Abgabestellen und Filialapotheken wird erleichtert. Zudem können sie werktags zwischen sechs und 21 Uhr und samstags zwischen sechs und 18 Uhr öffnen. In diesen Plänen sieht die Ärztekammer eine noch größere Gefahr für Hausapotheken.

Rund 1450 öffentliche Apotheken gibt es derzeit in Österreich, davon 42 Krankenhausapotheken, wobei fünf von ihnen sowohl eine öffentliche als auch eine Krankenhausapotheke sind. Dem stehen zwischen 850 und 870 von Kassenärzten geführte Hausapotheken gegenüber. In Gemeinden mit bis zu 5000 Einwohnern erfolgt die Medikamentenversorgung überwiegend durch Hausapotheken: In Gemeinden mit bis zu 1000 Einwohnern betreiben 74 Prozent der Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag eine Hausapotheke, in solchen von 1000 bis 5000 Einwohnern sind es 44 Prozent. 38 Prozent der österreichischen Gemeinden verfügen weder über eine Apotheke noch über eine Hausapotheke, 26 Prozent der Gemeinden über keinen Kassenarzt. Für jeden zehnten Österreicher ist die nächste Apotheke mehr als 8,9 Straßenkilometer entfernt.

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