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Buchtipps des Monats

Imago / Chris Emil Janssen
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Über eine literarische Expedition, Hertha Firnberg, religiöse Helden, Vorzimmer der Shoa und den Energiefresser Internet.

200 Wörter über 200 Bücher aus 200 Ländern

Wann haben Sie zuletzt das Buch eines kolumbianischen Autors oder einer Autorin gelesen? Achim Hölter, Komparatistikprofessor der Uni Wien, überraschte seine literarische Expedition positiv. Er las sich durch 200 aktuelle Bücher aus 200 Ländern bzw. Sprachkulturen und fasste sie in exakt 200 Wörtern zusammen. Im Vorwort reflektiert er über Goethes Idee der „Weltliteratur“, den Übersetzungsmarkt und Trendthemen wie Gender und Klima. Sein Anspruch, in seiner Disziplin beweglich zu bleiben, ist spürbar, ebenso wie der Spaß, den ihm das Vorhaben beschert. Das Projekt ist exakt, beflissen und serviceorientiert. Verdienstvoll sind die Kurzbiografien und die tabellarische Übersicht inklusive Bewertung. Lust bekommt man etwa auf den Andorra-Kandidaten „Das Lächeln der Erde“. (juf)

Achim Hölter, <strong>„In 200 Büchern um den Globus“,</strong> Böhlau-Verlag, 353 Seiten, 37 Euro
Achim Hölter, „In 200 Büchern um den Globus“, Böhlau-Verlag, 353 Seiten, 37 Euro

Hertha Firnberg prägte die Wissenschaft und die Politik

Hertha Firnberg wurde von Bruno Kreisky 1970 dem neu gegründeten Wissenschaftsministerium vorangestellt. Sie blieb dort 13 Jahre und war von 1967 bis 1981 auch Vorsitzende der SPÖ-Frauen. Politisch engagierte sich die Wienerin schon in der Schule (Sozialistische Mittelschüler) und verantwortete später das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 und weitere Reformen.

Das Buch rollt Firnbergs Leben gut recherchiert auf, von der Kindheit bis zum Tod 1994. Sie forschte an der Uni Wien zur Geschichte des Arbeitsrechts und arbeitete bis zur Pension in der AK Niederösterreich. Als Nationalratsabgeordnete scheute sie keine Konflikte. Zum Abschluss behandelt die Historikerin Maria Wirth auch Firnbergs Erbe und ihre Rezeption in der österreichischen Geschichte. (vers)

Maria Wirth, <strong>„Hertha Firnberg und die Wissenschaftspolitik“</strong>, V&R Unipress, 241 Seiten, 48 €
Maria Wirth, „Hertha Firnberg und die Wissenschaftspolitik“, V&R Unipress, 241 Seiten, 48 €

Muskulös und religiös?

Gut oder böse, richtig oder falsch? Klare Grenzen werden heute längst nicht mehr eindeutig gezogen. Das bringt das Superhelden-Genre in die Krise. Möchte man zumindest meinen. Denn Religion und Heldentum werden zunehmend kontroversiell verhandelt. Doch in der superheroischen Popkultur hat die religiöse Motivik unbeeindruckt davon, dass der Glaube in der säkularen Welt an Bedeutung verliert, ungebrochen Hochkonjunktur.

Der Sammelband liefert erstmals einen Überblick über die religiöse Dimension von Superhelden. So geht etwa die Amerikanistin Ranthild Salzer (Uni Wien) der Frage nach, inwiefern sich konkrete Aktionen von Superhelden mit einem christlich-sozialen Weltbild überschneiden. Ihre Antwort fällt eindeutig aus: Ja, sie mühen sich Tag für Tag für eine gerechtere Welt ab – ohne zu jammern. (cog)

N. Gaspers, T. Caeners, M. Keidel (Hg.), <strong>„Religiöse Helden“</strong>, Transcript-Verlag, 256 Seiten, 40 Euro (E-Book: Open Access)
N. Gaspers, T. Caeners, M. Keidel (Hg.), „Religiöse Helden“, Transcript-Verlag, 256 Seiten, 40 Euro (E-Book: Open Access)

Vorzimmer der Vernichtung

Der Holocaust begann mitten in Wien. Vor den Augen der Bevölkerung. In der Leopoldstadt. Hier befanden sich 1941/42 vier Sammellager, in denen die Nazis Jüdinnen und Juden vor ihrer Deportation interniert haben. Von der Kleinen Sperlgasse 2a, der Castellezgasse 35 sowie der Malzgasse 7 und 16 aus wurde ein Großteil der 66.000 österreichischen Shoa-Opfer in den Tod geschickt. 

Diese Orte, die im kollektiven Gedächtnis praktisch nicht präsent sind, macht vorliegender Sammelband sichtbar. Briefe, Fotografien und Zeitzeugenberichte ergänzen die historischen Ausführungen, die sich um Opfer, Täter, Überlebende und Helfer drehen. Mitherausgeberin der nun in zweiter, überarbeiteter Auflage erschienenen Publika­tion ist die im Sommer überraschend verstorbene österreichische Zeithistorikerin Heidemarie Uhl. (cog)

D. Hecht, M. Raggam-Blesch, H. Uhl (Hg.), <strong>„Letzte Orte“</strong>, Mandelbaum-Verlag, 526 Seiten, 26 Euro
D. Hecht, M. Raggam-Blesch, H. Uhl (Hg.), „Letzte Orte“, Mandelbaum-Verlag, 526 Seiten, 26 Euro

Mit jedem Klick pulvern wir ordentlich viel CO2 hinaus

Der Untertitel beschreibt gut, was der deutsche Autor Jörg Schieb hier ausführt: „Warum jede E-Mail ein Klimakiller ist und wie unser digitales Leben nachhaltiger wird“. Mit Smartphone und Tablet verbringen wir im Schnitt über 20 Stunden pro Woche im Internet. Junge Leute sogar bis zu 86 Stunden pro Woche.

Zu Beginn zählt Schieb Fakten auf, wie viel Strom Betrieb und Instandhaltung der digitalen Netze verbrauchen. Millionen Haushalte verpulvern nicht so viel Energie wie die Rechenzentren, Mobilfunkstationen und Internetrouter. Weltweit übersteigt der CO2-Ausstoß des Internets den des gesamten Flugverkehrs. Eine Stunde Videostream entspricht einer Autofahrt von 20 Kilometern. Er gibt Hinweise, was man selbst tun kann: z. B. am Handy statt am PC Games zu zocken. (vers)

Jörg Schieb, <strong>„Energiefresser Internet“</strong>, Redline-Verlag, 288 Seiten, 23,50 Euro
Jörg Schieb, „Energiefresser Internet“, Redline-Verlag, 288 Seiten, 23,50 Euro

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