Glosse

Was bringt die Online-Aphoristiker zum Bücherschreiben?

Ob Stefanie Sargnagel oder El Hotzo: Postings sind den Belletristen des Internets nicht genug.

Wozu Literatur? So fragte einst der französische Germanist Robert Minder. Ein rhetorischer Kniff: Minder glaubte an den sozialen und humanistischen Wert literarischen Schreibens. Heute könnte man die Frage zuspitzen und erweitern: Wozu Literatur, es gibt doch Social Media! In 280 – oder 300, oder 500, je nach Plattform – Zeichen ist doch eh alles gesagt. Jedenfalls alles, was zählt. Und wenn nicht, kann man ja immer weiter posten, im regen kommunikativen (oder schrägen destruktiven) Austausch mit anderen.

Hinzu kommt, dass auch die junge Netz-Szene ihre belletristischen Stars hat, ihre Edelfedern und spitzzüngigen Aphoristiker. Ihre El Hotzos und Stefanie Sargnagels. Wie nur wenige andere wissen sie ihre eigentümliche Weltsicht auf den springenden Punkt zu bringen. Und diesen dann in pointierte Sentenzen zu fassen, die im Netz für Erheiterung und Erkenntnisse sorgen.

Wer braucht da noch „traditionelle“ Literatur? Richtig: Niemand. Korrektur: Fast niemand. Stefanie Sargnagel z. B. schon: Sie hat unlängst ein richtiges Buch herausgebracht, mit allem Drum und Dran: Verlag, Einband, etliche Seiten aus Papier. Es heißt „Iowa“, und wie man hört, ist es nicht einmal Sargnagels erstes Traktat. Auch El Hotzo ist seiner Online-Schreibtätigkeit bereits fremdgegangen: Im April erschien sein Debütroman „Mindset“.

Was treibt diese Kinder des Internets in die Obhut der Buchautorenschaft? Vielleicht liegt es an ihrer Liebe zum Schreiben. Und an der Fülle ihrer Gedanken, die sich zwar nicht in ein Netz-Gsatzl, aber gerade noch zwischen zwei Buchdeckel pressen lässt.

Vielleicht hat der Medienwechsel aber auch profanere Ursachen: In der Social-Media-Welt ist zwar gut Munkeln, aber eher schlecht Geldverdienen. Der Buchbetrieb hingegen bringt Lesungen, und Lesungen bringen Honorar. So oder so: Dazu Literatur!

E-Mails an: andrey.arnold@diepresse.com

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