Gastkommentar

Die Einengung der Wissenschaftsfreiheit

Peter Kufner
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Pressefreiheit – Meinungsfreiheit – Wissenschaftsfreiheit. Sind diese Freiheiten nicht verknüpft und voneinander abhängig?

Beginnen wir bei der Pressefreiheit: Das „Goldene Klavier des Nationalratspräsidenten“ stand viel zu lang im Mittelpunkt der Berichterstattung. Aber trotz der dauernden Berichterstattung muss ich etwas überlesen haben: Es ging nämlich eigentlich um das „Das goldene Klavier des Theophil Hansen“.

Wie bekannt, ist im Rahmen der Kulturförderung in Österreich ein Prozent des Bauvolumens einem kulturellen Zweck zuzuführen. Manche schöne Hausbemalung, manch Kunstwerk vor einem neu erbauten Haus ist mit diesem einen Prozent geschaffen. Beim Umbau des Parlaments wollte man dieses eine Prozent einem Zweck zuführen, den Theophil Hansen zwar angedacht hatte, der aber nie zur Ausführung kam: Als Krönung des Neubaus des Parlaments sollte – neben dem Ankauf von Kunstwerken – dieses goldene Klavier den Eingangsbereich zieren, wie von Theophil Hansen gewünscht. 422,6 Millionen Euro kostete der Umbau des Parlaments insgesamt, 1,8 Millionen Euro wurden in Kunstwerke investiert. Sie verschlangen den Hauptteil der Kunstförderung.

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Das Spiel der Medien

Doch die Diskussion über die Anschaffung der teuren Kunstwerke wurde nicht geführt. Aber die für den Bösendorfer-Flügel fällige monatliche Miete von 3000 Euro wurde zur politischen Schlammschlacht gegen Wolfgang Sobotka genutzt. Der Nationalratspräsident verwies wiederholt auf die ursprünglichen Pläne von Parlamentsarchitekt Theophil Hansen, der so ein Klavier vor rund 150 Jahren vorgesehen hatte. Ein Artikel in der „Presse“ ging sogar auf diese Widmung ein. Doch die politische Debatte wurde von den Parteien schnell in eine Anti-Sobotka-Richtung gedrängt.

Das Ergebnis kennen wir. Pressefreiheit? Wer hatte da wohl ein politisches Interesse, den im Verhältnis zu den 1,8 Mio. Kunstförderung wohl Minimalbetrag so aufzupauschen?

Das führt sofort zur Meinungsfreiheit, die mit dieser Berichterstattung eingeschränkt wurde. Die Möglichkeit, sich eine Meinung zu bilden, hat auch wesentlich damit zu tun, die Fakten als Grundlage einer eigenen Meinungsbildung zu kennen. Da wohl die meisten kaum die nötige Zeit für die Recherche zu allen diskutierten Fragen aufbringen können, sind sie davon abhängig, was ihnen die Medien – ob analog oder digital – aufbereiten.

Nimmt man dieses Beispiel von Berichterstattung, wird einem sofort bange, wie da Medien offensichtlich ihr eigenes politisches Spiel spielen. Wäre es nicht auch Aufgabe der Medien gewesen, diesen vernachlässigbaren Betrag für die Verwirklichung der Idee des Theophil Hansen zu verteidigen und so ein Korrektiv zur politischen Diskussion darzustellen? Lassen sich Medien vielleicht zu schnell politisch missbrauchen, indem sie zwar Forderungen der politischen Gegner sofort berichten, die Grundidee aber sogleich aus dem Blick verlieren?

Sind die Medien als „vierte Macht im Staate“ noch eigenständig in ihrer Kontrollfunktion oder schreiben sie bereits Oppositionsgeschichte(n)?

Damit sind wir bei der Wissenschaftsfreiheit angelangt, die ja im Verfassungsrang – „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“ (Art. 17 StGG) – steht und damit wohl unantastbar erscheint. Nehmen wir zuerst das Beispiel der Vorsitzenden von US-Eliteuniversitäten, die angesichts antisemitischer Vorfälle zuletzt unter Druck geraten waren:

Eine viel beachtete Anhörung der Hochschulpräsidentinnen von Harvard, der University of Pennsylvania und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) sorgte für Empörung. Neben Rücktrittsaufrufen häuften sich Drohungen von Großspendern und Kritik am Umgang mit der Meinungsfreiheit an den Universitäten.

Die Macht der Plutokraten

Die Argumentation aller Präsidentinnen lautete durchgängig: Die Universitäten seien der freien Meinungsäußerung verpflichtet. Das Recht zur freien Meinungsäußerung ist in den Vereingten Staaten im ersten Zusatzartikel der Verfassung geregelt und hat eine Sonderstellung.

Erste Konsequenzen gab es: Eine Präsidentin legte ihr Amt nieder. Dem Schritt war heftige Kritik von Politik und Großspendern vorausgegangen: Ein wichtiger Geldgeber der University of Pennsylvania zog eine Spende in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar (rund 93 Mio. Euro) zurück und forderte den Rücktritt.

Die MIT-Präsidentin Sally Kornbluth bekam seither Rückendeckung vom Kuratorium ihrer Universität. Auch die Harvard Corporation, das Leitungsgremium der Universität, bekräftigte in einer Erklärung ihre Unterstützung für Claudine Gay.

Die anhaltende Debatte in den USA dreht sich nicht allein um den Umgang mit Antisemitismus und Meinungsfreiheit, sondern auch um Einflussnahme durch Politik und wohlhabende Privatpersonen. „Was Sie jetzt sehen, ist eine Handvoll super-ultrareicher Individuen – Plutokraten, die man wohl Philanthropen nennen würde –, die einen unglaublichen Einfluss auf die Hochschulbildung haben“, wurde Isaac Kamola, Professor am Trinity College in Connecticut, in der „Financial Times“ zitiert.

Diskussionsverweigerung

Damit sind wir bei der Diskussion: Wenn Wissenschaft nur noch das aussprechen darf, was gerade als politisch korrekt gilt, ist ihre Freiheit massiv bedroht. Es kommt zur Diskussionsverweigerung, was an deutschen Hochschulen bereits heftig diskutiert wird („Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“). Die Grenzen zwischen Wissenschaft, Politik und Identität verschwimmen dabei auf gefährliche Weise.

Im deutschen Grundgesetz Artikel 5 Abs. 3 heißt es: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Warum wird dann einem deutschen Kollegen verboten, über den „Orient“ zu sprechen, da er aufgrund seiner Herkunft dazu nicht in der Lage sei?

Zwar können die eigene Körperlichkeit, Herkunft und Lebensgeschichte wissenschaftlich bedeutsame Einsichten in spezifische Lebenslagen eröffnen. Hieraus leiten sich für die Angehörigen gleich welcher sozialen Gruppen aber keine Ansprüche auf wissenschaftliche Monopole oder auf unbestreitbare Interpretationen dieser Lebenslagen ab.

Vielerorts werden bereits Curricula durchforstet und Wissensbestände „dekolonisiert“. Das offene Gespräch über Erkenntnisfortschritt in den Wissenschaften – mit seinen Sackgassen und Irrungen – aber auch Werke der Literatur, Bildenden Kunst und der Musik drohen dem kritischen Diskurs entzogen zu werden.

Konformitätsdruck

Ausgehend vom angelsächsischen Raum wird der Anspruch erhoben, die Universitäten auf einen politisch einseitigen Satz von macht- und gesellschaftskritischen Grundpositionen zuzurichten. Studierende sehen sich gleichzeitig einem unstatthaften politischen Konformitätsdruck ausgesetzt.

Es wird Zeit für eine ideologisch unvoreingenommene Debatte! Die Einengung der Wissenschaftsfreiheit wäre die inhaltliche Grundlage für die Einengung der Pressefreiheit, die schlussendlich die Beschränkung unserer Meinungsfreiheit zur Folge hätte. Wollen wir das wirklich?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Günther R. Burkert (*1952) ist Visiting Professor am Zentrum für Hochschulgovernance und Transformation der Universität für Weiterbildung Krems. Er forscht zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems in Österreich.

Privat

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