Gastkommentar

Drei dringliche Fragen an Alfred Gusenbauer

Das Verhalten des früheren Parteichefs sorgt in der SPÖ für Empörung.

Vor zwei Jahren schien das Verhältnis zwischen Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer und seiner Partei wieder im Lot: Die damalige SPÖ-Chefin, ­Pamela Rendi-Wagner, würdigte den früheren Parteichef für seine Leistungen mit der Verleihung der Viktor-Adler-Plakette. Eine in der Logik der SPÖ berechtigte Anerkennung: Gusenbauer hatte die Partei bei der Wahl 2006 zu einem überraschenden Wahlsieg über Wolfgang Schüssels ÖVP geführt.

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Der rote Honeymoon hielt nicht lang: Politisch wurde Gusenbauer mit nicht immer fairen Mitteln abmontiert. Wirtschaftlich mehrten sich kritische Stimmen bezüglich seiner privaten Geschäfte –  schon lang, bevor bekannt wurde, dass er nach seinem Rückzug aus der Politik ins Signa-Reich von Wunderwuzzi René Benko eingetreten war.

Wofür die hohen Honorare?

Heute gibt es aus dem Umfeld der SPÖ kaum Stimmen, die über Gusenbauers Verhalten nicht mit einer Mischung von Erstaunen, Entsetzen und Empörung reagieren. Auch für die breite Öffentlichkeit wirkt es befremdlich, dass der Aufsichtsratschef zweier Signa-Firmen und zentraler Berater einer dritten nicht nur im Rahmen des eingeleiteten Insolvenzantrags für sein Beratungsunternehmen Außenstände in Höhe von 6,5 Millionen Euro (samt Verzugszinsen von knapp 19.000 Euro) anmeldet, sondern auch als Privatperson eine Forderung von 679.950 für Honorare im zweiten Halbjahr 2023 (inklusive Verzugszinsen von 18.408,69).

Was eine erste Frage des mit der hohen Finanzwelt nicht so vertrauten Staatsbürgers aufwirft: Womit hat sich Gusenbauer solche Summen verdient? Freilich: Wenn Unternehmen solche Summen für Ex-Spitzenpolitiker zahlen, darf man diese nicht moralisch verurteilen, zumal sie in Österreich für ihre lobbyierenden Tätigkeiten keine „Abkühlungsphase“ einhalten müssen. Die brisantere zweite Frage wird eventuell von Gerichten beantwortet werden: Müssen nicht auch Aufsichtsratsorgane (alle) dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie über Jahre die Dimensionen der größten Firmenpleite der Zweiten Republik nicht erkannt haben? Wofür haben sie ihre stattlichen Honorare bezogen?

Rippenstoß gegen Babler

Im speziellen Fall Gusenbauer kommt noch eine dritte Frage dazu, eine politisch-moralische. Bekanntlich will der jetzige Parteichef, Andreas Babler, einen Feldzug für soziale Gerechtigkeit führen, für die Verkleinerung der Einkommensschere zwischen Arm und Reich, für die Anerkennung echter Leistungen, beispielsweise von Lehrern, Pflegenden, stressgeplagten Arbeitern und Angestellten.

Was müssen die sich denken angesichts der bekannt gewordenen Einkommen des früheren SPÖ-Parteichefs und seines besonders gut zahlenden Wunderkapitalisten? Und was muss sich der jetzige Parteichef denken angesichts der (t)rotzigen Nichtreaktion seines Vorvorvorgängers auf die beschämenden Vorgänge? Babler kann einem leid tun: Kaum scheint er wieder etwas Tritt gefasst zu haben, kaum setzt er sinnvolle Akzente (Expertenrat, vorsichtige Annäherung an Teile der ÖVP), fährt ihm Gusenbauer in die Parade. Vermutlich nachhaltig bis zur Wahl.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Das soll kein Plädoyer gegen Reiche sein, auch nicht gegen wohlhabende Sozialdemokraten; sie müssen kein Armutsgelübde leisten. Ihre Partei hat ja, im Gegenteil, seit den Tagen Bruno Kreiskys ihren Aufstieg auch mit Parolen wie „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ geschafft. Aber Gusenbauer scheint einen wichtigen Zusatz nicht beachtet zu haben: Anstand.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Dr. Peter Pelinka war als Journalist Chef­redakteur von „AZ“, „News“ und „Format“, heute ist er Gesellschafter der Medien­trainings­firma Intomedia. Er formulierte einst jene drei Fragen mit, die Josef Cap beim SPÖ-Parteitag 1982 an Burgenlands Landeshauptmann, Theodor Kery, stellte.

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