Protestwoche

Bauernprotest nur der Anfang? Deutsche Regierung befürchtet Unterwanderung durch Rechtsextreme

Mit einer Traktoren-Schleichfahrt haben Bauern am 6. Jänner am Rand des traditionellen Epiphanias-Empfangs der hannoverschen Landeskirche im niedersächsischen Loccum bei Nienburg gegen die schrittweise Kürzung der Subventionen von Agrardiesel und gegen härter werdende Arbeitsbedingungen protestiert.
Mit einer Traktoren-Schleichfahrt haben Bauern am 6. Jänner am Rand des traditionellen Epiphanias-Empfangs der hannoverschen Landeskirche im niedersächsischen Loccum bei Nienburg gegen die schrittweise Kürzung der Subventionen von Agrardiesel und gegen härter werdende Arbeitsbedingungen protestiert.Imago / Jens Schulze
  • Drucken

Die Landwirte starten eine Aktionswoche gegen die Streichung von Subventionen. Doch die Sorge vor einer Kaperung der Protestwelle ist groß. Extremismusexperten orten eine Unterwanderung der Proteste durch rechte Gruppen. Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck warnt vor „Umsturzfantasien“.

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einer Kaperung der Bauernproteste durch extreme Kräfte gewarnt und zum Schutz der Demokratie aufgerufen. Der Grünen-Politiker sagte in einem am Montag auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums: „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt.“ Am Montag haben deutschlandweite Bauernproteste begonnen.

„Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt“, so Habeck weiter. Am Donnerstag hatten Demonstranten Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Am Montag blockierten die Bauern Autobahnauffahrten und Traktorkolonnen in Städten.

Hintergrund der Proteste von Landwirten sind geplante Streichungen von Subventionen. Die deutsche Regierung hatte am Donnerstag angekündigt, sie wolle einen Teil der Kürzungen zurücknehmen. Habeck sagte, die Regierung sei den Bauern wegen des Kostendrucks entgegengekommen.

Habeck: „Dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern“

Hinter den Protesten stehe aber mehr als die jetzigen Regierungsentscheidungen, sagte der Vizekanzler. „Wir alle erleben einen Umbruch. Kriege und Krisen, die hohe Inflation über die letzten zwei Jahre. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist der Angst vor einer schlechteren gewichen.“ Erschöpfung und Enttäuschung, Sorge und Wut machten sich breit. „Aber, und es ist ein großes Aber: wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern. Wir dürfen nicht blind sein. Umsturzfantasien heißen nichts anderes, als unseren demokratischen Staat zerstören zu wollen.“

Habeck sagte weiter: „Es gibt keine Garantie, dass nicht auch in Deutschland die Debatte immer weiter verroht, so dass am Ende das Recht und der Rechtsstaat gefährdet sind.“ Die liberale Demokratie sei ein Schatz, der verteidigt werden müsse. „Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten.“

Rechtsextreme versuchen, „in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen“

Auch der Verfassungsschutzpräsident des deutschen Bundeslands Thüringen, Stephan Kramer, warnte vor einer rechtsextremen Instrumentalisierung der Bauernproteste. In den vergangenen Jahren hätten Rechtsextremisten „stetig und konsequent versucht, jede Form von legitimem Bürgerprotest zu unterwandern“, sagte er der „taz“ (Dienstag-Ausgabe). Sie hätten versucht, „in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, indem sie sich als die wahren Volksvertreter aufspielen“.

Der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent forderte von den protestierenden Bauern eine klare Abgrenzung von rechten Mitläufern. Nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure versuchten, die Bewegung politisch zu instrumentalisieren, sagte Quent am Montag im Deutschlandfunk. Ihnen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“. Quent ist Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Blockade von Autobahnauffahrten

Die Bauernproteste gegen die Agrarpolitik haben Montagfrüh in Deutschland zu ersten Behinderungen geführt. In Mecklenburg-Vorpommern etwa blockierten Landwirte landesweit mit Hunderten Traktoren Auffahrten von Autobahnen. Unterstützt wurden sie von Speditionsunternehmen, die gegen die Erhöhung der Lkw-Maut protestierten. Im Kreis Cloppenburg in Nordwestniedersachsen wurde eine Bundesstraße von 40 Fahrzeugen blockiert.

In Sachsen waren laut Polizei etwa im Raum Dresden einige Autobahnauffahrten nicht nutzbar. Versammlungen gibt es demnach an den Autobahnen A4, A13, A14 und A17. In Berlin war die Lage am frühen Morgen zunächst ruhig. Die ersten Traktoren standen aber schon seit Sonntagabend am Brandenburger Tor. (APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.