Morgenglosse

Der deutsche Gelbwesten-Tea-Party-Moment

Ein paar Demonstranten bei den Bauernprotesten am Montag in Berlin.
Ein paar Demonstranten bei den Bauernprotesten am Montag in Berlin.Imago / Stefan Zeitz
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Bei den Bauernprotesten geht es auf einmal nicht mehr nur um die Frage, ob eine Subvention gerechtfertigt ist oder nicht. Nicht weniger als die Demokratie stünde auf dem Spiel, heißt es.

Die ganze Sache selbst war am Ende wohl nicht wirklich gefährlich, aber das Bild blieb hängen. Da sitzt ein deutscher Minister und Vizekanzler auf einer Fähre in einem Hafen Schleswig-Holsteins. An der Anlegestelle eine wütende Menge. Er solle sich raustrauen, nicht so feige sein, rufen sie ihm entgegen. Der Minister lädt drei der Bauern zu einem Gespräch nach drinnen. Aber sie wollen ihn draußen haben, wo sie viele sind und er alleine. Die Sicherheitsleute des Ministers winken ab, zu unsicher, keine Chance.

So ist das Robert Habeck passiert. Die Antwort des grünen Vizekanzlers auf diese Belagerung folgte am Montag, als Landwirte mit Traktoren ausgerückt waren, um das halbe Land beim Autofahren zu stören. Auf Instagram sagte er ein paar Worte zur Landwirtschaft. Dann hob er das Geschehene auf eine dramatisch hohe Ebene: Es ginge nun auch um die Rettung der Demokratie. Nicht weniger.

Ein Traktordemonstrant in Siegen, Nordrhein-Westfalen
Ein Traktordemonstrant in Siegen, Nordrhein-WestfalenImago / Rene Traut

Eigentlich ging es ja um den Agrardiesel, dachte man bisher, einen Steuernachlass für Forst- und Landwirte. Den wollen Habeck und die deutsche Regierung abschaffen. Auch jetzt noch. Aus dem Protest dagegen droht eine deutsche Version der französischen Gelbwesten-Proteste zu werden, vor der sich manche im Berliner Regierungsviertel schon länger fürchten. Vermischt mit einem Hauch von Revolutionsgehabe, das die US-amerikanische Tea-Party-Bewegung auszeichnet, die mit zur Präsidentschaft Donald Trumps geführt hat.

Wie das traditionell nach Ruhe und Zen strebende Deutschland mit diesem Gelbwesten-Tea-Party-Moment umgeht, werden die nächsten Tagen und Wochen zeigen. Die Bauern würden aber wohl nach Hause gehen, bekämen sie ihre Steuernachlässe wieder, die von der überforderten Regierung einfach mal auf die Schnelle gestrichen wurden, weil diese es nicht geschafft hatte, ein verfassungskonformes Budget aufzustellen und irgendwo Geld für ihr Haushaltsloch finden musste.

Auf der anderen Seite haben sich ein paar der aufgebrachten Landwirte mehr als nur im Ton vergriffen. Ein demokratischer Protest muss ohne Galgen, Mobs und wüste Drohungen auskommen. Das betonte fast die ganze Republik – vom Deutschen Bauernverband bis zur oppositionellen CDU.

Ein Traktordemonstrant in Köln, Nordrhein-Westfalen.
Ein Traktordemonstrant in Köln, Nordrhein-Westfalen.Imago / Beautiful Sports/buriakov

Sollten die deutschen Bauern in ihrer Wut den Weg wählen, bei der mal nur rechtspopulistischen, mal schon rechtsextremen AfD ihr Heil zu suchen, könnte es aber sein, dass sich der ein oder andere bald wünscht, man hätte jemanden auf die Fähre zu Habeck geschickt, um zu reden. Im AfD-Grundsatzprogramm steht nämlich: „Landwirtschaft: Mehr Wettbewerb. Weniger Subventionen“.   

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