Debatte

Die Plagiatssuche als Waffe der Wahl

Harvards Präsidentin Claudine Gay wurde Plagiat vorgeworfen. Sie trat zurück. Ist als Nächstes die Spitze des M.I.T. an der Reihe?
Harvards Präsidentin Claudine Gay wurde Plagiat vorgeworfen. Sie trat zurück. Ist als Nächstes die Spitze des M.I.T. an der Reihe?Reuters
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In den USA droht ein Milliardär Elite-Unis damit, Plagiate in Arbeiten aufzuspüren – die ultimative Diffamierung für Hochschulen. Warum macht er das? Und was haben Liebe, Antisemitismus und ein dickes Aktienpaket damit zu tun?

Zwei Elite-Unis in den USA kam kürzlich ihre Führung abhanden. Im Dezember trat Liz Magill, Chefin der University of Pennsylvania, zurück. Im Jänner kapitulierte Claudine Gay, Präsidentin von Harvard. Auslöser war bei beiden eine Anhörung zum Thema Antisemitismus am Campus. Genauer gesagt die Frage, ob es gegen die Uni-Regeln zu Belästigung und Mobbing verstoße, wenn jemand einen Aufruf zum Völkermord an Juden tätige. Dass die Antworten darauf schwammig waren, sorgte für heftige Kritik, die schließlich beide Frauen ihre Spitzenposition kostete. Doch die Frage nach Judenhass auf universitärem Boden ist bei Weitem nicht die einzige, die gerade zu Brüchen führt zwischen den US-Unis und denen, die sie finanzieren.

In den USA, wo es schon strukturell eine ganz andere Verquickung der Reichen und Mächtigen mit den Hochschulen gibt als in Europa, kracht es zwischen den Ebenen ordentlich. Was man gut am Beispiel eines Mannes sehen kann: Bill Ackman. Nach einer unschönen Auseinandersetzung mit Harvard droht der Hedgefondsmanager nun nicht mehr nur seiner Alma Mater, sondern auch anderen Universitäten. Mit der ultimativen Diffamierung in Form von beauftragten Plagiatsprüfungen. Der Grund für den Angriff: die Liebe. So scheint es jedenfalls.

Das schlecht verkaufte Aktienpaket

Die Geschichte der Entfremdung zwischen Harvard und dem Milliardär beginnt aber mit Geld. Viel Geld in Form eines Aktienpakets, das er 2017 an die Uni weitergab, zur Finanzierung eines Lehrstuhls für einen Starökonomen (nicht seine erste Spende übrigens). Er hatte das Paket mit Auflagen versehen, weil er meinte, die Aktien würden bald deutlich mehr abwerfen. Und für das zusätzliche Geld hatte er auch schon eine Idee: ein neues Gebäude am Campus.

Tatsächlich waren die Aktien sehr ertragreich, aber Harvard hatte sie schon früh unbemerkt weiterverkauft und brachte sich um viel Geld. 70 Millionen Dollar sollten es sein. Davon erzählt Ackman selbst ausführlich auf der Plattform X, vormals Twitter, wo er eine Gefolgschaft von mehr als einer Million Menschen hat. Dass ihm Harvard die Sache auf Nachfrage nicht wirklich erklärte, sich niemals dafür bei ihm entschuldigte, breitete er dort auch aus. Einen gewissen Groll kann man vermuten. Ob die allzu unglückliche Antwort der Uni-Rektorin auf die öffentlich gestellte Antisemitismus-Frage schließlich nur ein Vehikel für ihn war? Er weist das zurück. Aber der Milliardär scheint mit Harvard auch noch andere Probleme gehabt zu haben. Gay hätte der Uni „mehr Schaden zugefügt als jeder andere“ in ihrer Geschichte, sagte er. Und er übte intensive Kritik an sogenannten DEI-Initiativen. Gemeint sind Anstrengungen, die unterrepräsentierte Gruppen an Unis fördern sollen. Ackman sieht dies als Ursache von Antisemitismus in Harvard, denn in solch einer ideologischen „DEI“-Denkweise (Diversity, Equality and Inclusion) würden Weiße mit jüdischen Wurzeln oder auch Asiaten in die Gruppe der Unterdrücker fallen, meint er.

Bill Ackman.
Bill Ackman.Javier Rojas via www.imago-images.de

Wie auch immer: Der Fondsmanager agitierte heftig gegen Gay und griff sie auch wegen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten an. Der Verdacht lautete, dass Gay in ihrer Dissertation von 1997 und in anderen Arbeiten plagiiert habe. Sie gab einige wenige Zitierfehler zu, Harvard prüfte die Rektorin und sprach sie im Prinzip frei. Nach all der öffentlichen Kritik trat sie aber zurück. Hier könnte die Geschichte ihr Ende haben, aber sie ging weiter, mit Anschuldigungen gegen Ackmans Ehefrau. Ein Artikel in der Onlinezeitschrift „Business Insider“ sah sie – eine gebürtigen Israelin, die im Bereich Architektur und Design ziemlich erfolgreich ist, aber jedenfalls keine Person des öffentlichen Interesses – als Wikipedia-Plagiatorin bei ihrer Doktorarbeit.

Angriff im Namen der Liebe

„Du weißt, dass du einen Nerv getroffen hast, wenn sie sich an deine Frau heranmachen, in diesem Fall an meine Liebe und Lebensgefährtin“, schrieb Ackman. Seither kommen von ihm immer mehr Beiträge zu ihrer Verteidigung. Und ebenjener Angriff, der vielleicht auch eine solche sein will: Er werde eine Plagiatsüberprüfung aller derzeitigen M.I.T.-Fakultätsmitglieder, von Sally Kornbluth, der Präsidentin des M.I.T., und der Universitätsleitung einleiten und die Ergebnisse öffentlich machen, schrieb Ackman vergangene Woche. Auch die Arbeiten von Reportern bei „Business Insider“ will er überprüfen lassen. Doch warum überhaupt das renommierte Massachusetts Institute of Technology? Weil seine Frau dort forschte und er vermutet, dass die Vorwürfe von einem Insider kommen? Oder weil er Kornbluths Aussagen zum Antisemitismus auch nicht richtig fand?

Jedenfalls kündigt sich eine Schlammschlacht an. Vor einem „Anstieg unsauberer Analysen“ von wissenschaftlichen Arbeiten warnte bereits ein Experte in der „New York Times“, ebenso wie vor einer Verwendung des Plagiats als Waffe. Der Schluss scheint nicht weit hergeholt. Bei der Wahl der Waffen dürfte der Milliardär die Nase vorn haben. Wobei die Episode nicht das einzige Problem der US-Unis ist, wie die Zeitung an anderer Stelle schrieb. Von einer „multidimensionalen Krise“ ist da die Rede, in der sich die Wissenschaft befinde. Sie gehe über Ideologie hinaus. Als Leiden werden da undurchsichtige Zulassungsrichtlinien, außer Kontrolle geratene Studiengebühren, administrative Aufblähung, eine Inflation guter Noten, Helikoptereltern und Cancel Culture angegeben. Es scheint, als wäre Österreichs Uni-Landschaft im Vergleich dazu gar nicht so schlecht aufgestellt.

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