Kurz-Prozess

Eine neue Zeugin und die „Angst“ des Ex-Kanzlers vor der WKStA

Öbag-Aufsichtsrätin Iris Ortner sieht keinen Zusammenhang zwischen Parteispenden und ihrem Mandat.
Öbag-Aufsichtsrätin Iris Ortner sieht keinen Zusammenhang zwischen Parteispenden und ihrem Mandat.APA/R. Schlager
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Bei Fortsetzung des Falschaussage-Prozesses gegen Sebastian Kurz trat Öbag-Aufsichtsrätin Iris Ortner in den Zeugenstand. Sie wurde auch zu Parteispenden ihres Vaters an die ÖVP befragt. Kurz durfte eine Mini-Verteidigungsrede halten. Diese ließ erahnen, dass das Thema „Aussagenotstand“ noch relevant werden könnte.

Der seit Mitte Oktober 2023 laufende Falschaussage-Prozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Ex-Kanzleramts-Kabinettschef Bernhard Bonelli wurde am Mittwoch im Straflandesgericht Wien fortgesetzt. Der Verhandlungstag brachte drei neue Elemente: Erstens die entlastende Aussage der Öbag-Aufsichtsrätin Iris Ortner, zweitens die Beteuerung von Kurz, dass er als Auskunftsperson vor dem Ibiza-U-Ausschuss „Angst vor Strafverfolgung“ gehabt habe (vor diesem Ausschuss soll er ja im Juni 2020 falsch ausgesagt haben). Und drittens die Möglichkeit, dass sich der Prozess bis Februar oder März zieht.

Wer zog die Fäden?

Der Reihe nach: Iris Ortner war geladen, weil es bei der Befragung von Kurz im U-Ausschuss um die personelle Besetzung der 2019 neu strukturierten staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag ging. Kurz gab damals an, er habe dieses Thema zwar im Auge gehabt, die eigentliche Auswahl der Aufsichtsräte habe aber der damalige Finanzminister Hartwig Löger vorgenommen. Dem widersprach zuletzt der – auf den Kronzeugen-Status hoffende – Ex-Finanzressort-Generalsekretär und nachmalige Öbag-Vorstand Thomas Schmid.

Im „System Kurz“ habe der Kanzler bei wichtigen Personalentscheidungen die Fäden gezogen. Auf diesen Angaben (siehe auch die Schmid-Chats) baut die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die WKStA, ihren Strafantrag auf: Kurz habe seine Rolle im U-Ausschuss „wahrheitswidrig“ kleingeredet. Kein Wunder also, dass Richter Michael Radasztics nun von Zeugin Iris Ortner wissen wollte, wie denn sie zu ihrem Öbag-Aufsichtsratsmandat gekommen sei.

Löger, nicht Kurz

Was die Zeugin zu sagen hatte, entsprach nicht dem Ansatz der WKStA. Sie sei im Jänner 2019 von Löger angerufen worden. Dieser habe sie gefragt, ob sie Aufsichtsrätin werden wolle. Sie habe nach kurzer Bedenkzeit zugesagt. Kurz habe ihrer Wahrnehmung nach nicht hineingefunkt.

WKStA-Vertreter Gregor Adamovic sorgte dafür, dass die Befragung in eine für die Zeugin unangenehme Richtung ging. Er sprach Iris Ortner auf die Parteispenden ihres Vaters, des Industriellen Klaus Ortner, an. Dessen Firmen hatten der ÖVP im Wahljahr 2017 mehr als eine Million Euro zukommen lassen. Daher ging bei der WKStA eine Korruptionsanzeige ein. Ein Zusammenhang zwischen der Spende und dem Aufsichtsratsmandat für die Tochter stand im Raum. Der Richter schaltete sich ein: „Wurde diese Optik diskutiert?“ Dies verneinte die Zeugin. Und erklärte: „Ich habe keinen Zusammenhang zwischen irgendeiner Spende und meiner Bestellung gesehen.“ Die oben erwähnte Anzeige wurde übrigens zurückgelegt. Ortner bestätigte indessen auch, dass ihr Vater im März 2019 ein Abendessen veranstaltet hatte, bei dem auch Kurz zu Gast gewesen sei.

Kurz bekam die Gelegenheit ein „Miniplädoyer“ zu halten. Darin wiederholte der von Anwalt Otto Dietrich vertretene Ex-Regierungschef ausdrücklich, dass er während seiner Ibiza-U-Ausschuss-Aussage „Angst vor Strafverfolgung“ gehabt habe. Man habe ihn damals davor gewarnt, dass die Opposition ihm einen Strick aus seiner Aussage drehen wolle. Kurz: „Leider ist es so gekommen.“ Und: „Es ist schon ein komisches Gefühl: Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen und fürchte mich, dass irgendein neues Verfahren eröffnet wird.“ Hintergrund: Wer unter Wahrheitspflicht deshalb etwas Falsches sagt, weil er die Gefahr einer möglichen Strafverfolgung abwenden möchte, ist (unter bestimmten Umständen) nicht zu bestrafen. Man spricht von Aussagenotstand.

Die nächste Verzögerung

Letztlich zeichnete sich ab, dass sich der bis Ende Jänner anberaumte Prozess bis Februar oder März ziehen könnte. Denn zwei russische Geschäftsleute, bei denen sich der nunmehrige Belastungszeuge Thomas Schmid nach Auffliegen diverser Chat-Affären beworben hatte, sollen mittlerweile erklärt haben, dass Schmid bei dem Gespräch auch die WKStA erwähnte. Diese setze ihn bei ihren Befragungen unter Druck, soll Schmid den Russen berichtet haben. Letztere sollen nun, so ein Vorschlag des Richters, in einem österreichischen Konsulat, möglicherweise in St. Petersburg, per Video einvernommen werden.

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