Umfrage

Fachkräftemangel für viele Betriebe „existenzbedrohend“

Zwei Drittel der Unternehmer sehen Fachkräftemangel als „enormes Risiko“ für die Zukunft des Betriebs.
Zwei Drittel der Unternehmer sehen Fachkräftemangel als „enormes Risiko“ für die Zukunft des Betriebs.Clemens Fabry
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Der heimischen Wirtschaft fehlt es seit einigen Jahren an qualifiziertem Personal. Besonders in Tirol stoßen Unternehmer an ihre Grenzen. Oberösterreichische Manager sind dicht auf den Fersen.

Nur rund jedem fünften Mittelständler fällt es derzeit eher oder sehr leicht, Fachpersonal zu finden. Indes geben 82 Prozent der Führungskräfte an, dass es ihnen schwer falle, neue und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Zumindest wenn man der aktuellen EY-Umfrage unter 600 Führungskräften Glauben schenkt. Ihr zufolge sehen zwei Drittel der österreichischen Unternehmer den Fachkräftemangel als „enormes Risiko“ für die Zukunft des Betriebs – noch vor hohen Rohstoffpreisen, möglicher Rezession und Inflation.

Besonders die Branche Gesundheit und Life Science habe damit zu kämpfen, Interessierte einzuladen: 60 Prozent geben an, sehr schwer Personal zu finden, 29 Prozent finden eher schwer Fachkräfte. Stark betroffen ist auch der Tourismus, dicht gefolgt von der Industrie. „Es ist entscheidend, dass wir sowohl auf politischer als auch auf unternehmerischer Ebene effektive Strategien entwickeln, um Lösungen zu finden und die Zukunftsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu sichern“, so Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich.

Nur leichte „Beschäftigungsimpulse“ zu erwarten

Ebenso wie im Vorjahr hätte jeder fünfte heimische Betrieb vor, in den kommenden Monaten zusätzliche Beschäftigte einzustellen. Allerdings sei der Anteil derer, die Stellen streichen wollen, gegenüber Jänner 2023 von 15 auf 18 Prozent gestiegen. So hoch sei der Prozentsatz seit 2009 nicht mehr gewesen. Demnach sind hier nur mehr leichte Beschäftigungsimpulse zu erwarten. Unterm Strich planen lediglich drei Prozent der Betriebe zusätzliche Stellen zu schaffen. Eine ähnlich geringe Beschäftigungsdynamik wurde zuletzt 2013 verzeichnet, selbst im Corona-Krisenjahr 2021 lag der Saldo mit neun Prozent noch höher als zuletzt.

Die meisten neuen Stellen wollen Unternehmen in Vorarlberg, Wien und Kärnten schaffen. Am wenigsten neue Arbeitsplätze sind im Burgenland geplant.

Personalmangel sorgt für Umsatzeinbußen

In Österreich gestaltet sich der Fachkräftemangel auch wirtschaftlich herausfordernd: Knapp die Hälfte aller Unternehmen verzeichnet Umsatzeinbußen infolge der Personalnot. Selbst der Anteil jener, die „erhebliche“ Einbußen von mehr als fünf Prozent des Umsatzes beklagen, sei von 16 auf 19 Prozent gestiegen. Besonders ausgeprägt sind die Folgen des Fachkräftemangels auf den Umsatz im Gesundheitsbereich, im Tourismus und in der Industrie.

Immer mehr Betriebe, verteilt über das ganze Land, spüren die Engpässe akut. Dennoch zeigen sich regionale Unterschiede: Am ausgeprägtesten ist der Fachkräftemangel bei Unternehmen in Tirol – die Mehrheit beklagt gar „große“ Probleme – und Oberösterreich. Hier fällt es der Hälfte „sehr schwer“ und einem Drittel „eher schwer“, Personal zu finden. Auch in der Steiermark sowie in Wien gestaltet sich die Suche nach neuen Mitarbeitenden herausfordernd. Am besten sei die Situation noch in Niederösterreich und im Burgenland.

„Der Fachkräftemangel wird zum größten Risiko für Unternehmen und ist für viele Unternehmen existenzbedrohend. Wir müssen gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Ausbildung und Weiterbildung zu fördern, Anreize für Fachkräfte zu schaffen und vielleicht auch neue Wege in der Arbeitsmigration zu beschreiten“, sagt Lehner.

Investitionen lohnen sich (noch) nicht

Nahezu jedes zweite Unternehmen gibt an, die Ausgaben für Such- und Rekrutierungsmaßnahmen ein den vergangenen fünf Jahren erhöht zuhaben. Die Kostensteigerung liege bei durchschnittlich acht Prozent. Besonders Unternehmen im Bereich Gesundheit und Life Science und im Sektor Immobilien, Baugewerbe und Bauhandel sind von den vermehrten Ausgaben betroffen. Am wenigsten treffe es die Betriebe im Transport- und Verkehrssektor.

Ein wesentlicher Grund für die Personalnot sei die mangelnde Bereitschaft der Arbeitnehmer, Vollzeit zu arbeiten. Dieses Motiv ist für 50 Prozent der Unternehmer ausschlaggebend. Ein weiterer Grund sei die fehlende Ausbildung und Qualifikation der Bewerbenden. Auf Rang drei reiht der demografische Wandel also die Alterung der Bevölkerung. Die Regierung unterstütze insgesamt zu wenig, sind dich die Manager einig. Ein zu hohes Arbeitslosengeld bzw. eine zu geringe Arbeitsmoral sei hingegen nur für eine kleine Minderheit von drei Prozent der Unternehmen ein maßgeblicher Grund.

92 Prozent bemühen sich mit gezielten Maßnahmen

92 Prozent der mittelständischen Unternehmen setzen inzwischen Maßnahmen gegen die sich verschärfende Problematik des Fachkräftemangels ein. Am häufigsten nutzen sie eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und die Intensivierung der Aus- und Weiterbildung. Fast jeder zweite Betrieb bietet Bewerber attraktive Zusatzleistungen und Benefits an und jeder dritte Betrieb kooperiert mit Bildungseinrichtungen. Höhere Löhne werden hingegen von kaum einem Unternehmen als Strategie der Wahl genutzt: Lediglich ein Prozent der Betriebe greift auf diese Maßnahme zurück.

Forderungen richten sie wiederum an die Regierung: Mehr als jeder zweite Betrieb möchte eine Bildungsförderung für qualifizierte Fachkräfte bzw. eine verstärkte Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen. Knapp die Hälfte wünschen sich eine gezielte Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. (ere)

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