Gastkommentar

Österreich darf nicht Ungarn werden

Wer auch nur mit der Idee spielt, sich nach den Wahlen auf eine Koalition mit der FPÖ einzulassen, sollte sich bewusst sein, welches Ziel Herbert Kickl verfolgt.

Zweifellos wird 2024 demokratiepolitisch ein wichtiges Jahr. Es sind nicht nur einige Landtagswahlen in Österreich, sondern vor allem die EU- und Nationalratswahlen, die entscheidend für die nächsten Jahre in Österreich sein werden.

Und wie alle Umfragen derzeit prognostizieren, könnte die FPÖ einen Wahlerfolg einfahren. Dies mag viele Gründe haben, wie die im europäischen Vergleich eher schwache Leistung in der Inflationsbekämpfung. Die Leistungen der aktuellen Regierung wie z. B. in Sachen Umweltschutzgesetzgebung oder die Abschaffung der kalten Progression werden von großen Teilen der Bevölkerung aktuell zu wenig gewürdigt, vielleicht die erzielten Ergebnisse aber auch zu wenig inszeniert, wie die ehemalige Theaterdirektorin Emmi Werner jüngst im ORF treffend festgestellt hat.

Die Rede des „Volkskanzlers“

Ich habe mir aus Interesse die Neujahrsrede des FPÖ-Parteichefs vom 13. Jänner zur Gänze angehört. Es sind die üblichen unerträglichen Kalauer gegen die politischen Mitbewerber und großspurige Ansagen eines selbst­ernannten „Volkskanzlers“, auch damit provozierend, dass dieser Begriff einst in nationalsozialistischen Kreisen der 1930er-Jahre als politischer Kampfbegriff entstanden ist.

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Der aus meiner Sicht alarmierendste Teil der Rede ist die Tatsache, dass Herbert Kickl Viktor Orbán als blühendes Beispiel und Vorbild für Österreich hervorhebt.

Man muss nicht viel von der ungarischen Situation wissen, um zu verstehen, dass Ungarn im ­Gegensatz zur Darstellung Kickls in einer wirtschaftlich deutlich schlechteren Situation ist als die meisten europäischen Länder. Die Lebensqualität weiter Bevölkerungsschichten in Ungarn hat in den vergangenen Jahren immens gelitten. Der ehemalige ungarische Finanzminister, Ökonom und Professor für Wirtschaft an der Central European University Lajos Bokros sagt deutlich, dass der wichtigste Grund für die hohe und hartnäckige Inflation in Ungarn die dort geleistete Regierungspolitik ist.

Neben der politischen Isolation innerhalb der EU und der totalen Abhängigkeit vom russischen Gas und Öl ist vor allem die Politik Ungarns für die Situation verantwortlich, und dies hat schon vor dem russischen Angriffskrieg begonnen. EU-Gelder versickerten in unklaren Kanälen, die staatliche Geldpolitik wirkte willkürlich. Dazu kommt, dass Orbán die freien Medien stark eingeschränkt bzw. regierungstreu geformt hat. So wird weiten Teilen der Bevölkerung suggeriert, dass die EU an der schlechten Situation Ungarns schuld sei. Ein Narrativ, dass ja auch die FPÖ benutzt.

Wenn Herbert Kickl also nun Ungarn als Beispiel für Österreich heranzieht, um seine Wählerstimmen zu maximieren, sollten sich alle, die auch nur mit der Idee spielen, sich nach der Wahl eventuell auf eine Koalition mit dieser Partei einzulassen, bewusst sein, welches Ziel Kickl verfolgt: die Abschaffung der liberalen Demokratie hin zu einer illiberalen Demokratie, wie sie Orbán vorlebt, die Einschränkung der Medienfreiheit, die wirtschaftliche Isolation in Europa und damit die Verringerung der Stabilität und Lebensqualität.

Die FPÖ-Wirtschaftskompetenz endete stets im Desaster

Man kann zu Recht lang über die radikale Sprache, das Spielen mit Symbolen der NS-Zeit und die Versuche, die politische Mitte nach rechts zu verschieben, die die FPÖ tätigt, diskutieren. Ihre wirtschaftliche Kompetenz hat die FPÖ schon mehrmals unter Beweis stellen können, wie zum Beispiel in Kärnten. Es endete stets in einem Desaster, ein weiteres solches, und das sogar auf Bundesebene, sollten wir uns um jeden Preis ersparen.

Dr. Klaus Atzwanger ist Verhaltenswissenschaftler und Unternehmensberater.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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